Verhand-
lungen mit
Spanien
286 DER DURCHSCHNITTSDEUTSCHE
als sein großer Ahn Karl August, aber mit hohem Sinn und mit der gleichen
Achtung für Geist und wahre Kultur an seinem Teil zur Pflege der Über-
lieferungen seines Hauses und seiner Residenz wie zur Festigung und Ver-
breitung echter deutscher Bildung beigetragen. Er hatte etwas feierliche
Manieren, aber er besaß jene „politesse du c&ur“, die im neuen Deutsch-
land leider selten geworden ist. Wenn der alte Großherzog den Unglücks-
winter erlebt hätte, wo die Nationalversammlung in Weimar tagte, wo
Fritz Ebert dem Genius loci wenig geschmackvolle Ovationen und gleich-
zeitig im großherzoglichen Schloßkeller dem Bacchus allzu reichliche
Libationen darbrachte, wo Matthias Erzberger durch Eintrag in das Frem-
denbuch eines Wirtshauses den Deutschen als Trost für den Versailler
Diktat- und Schandfrieden Trinken und Lachen empfahl, so würde die Un-
kultur jener Tage und die geistige Vulgarität ihrer Matadore den Groß-
herzog Karl Alexander sehr betrübt haben.
Die Erwerbung der Karolinen-, Marianen- und Palau-Inseln ging aus
Unterhandlungen hervor, die ich mit dem ausgezeichneten spanischen Bot-
schafter in Berlin, Herrn Mendez de Vigo, geführt hatte. Unsere Akquisition
wurde von übereifrigen Kolonialpolitikern sofort für ziemlich wertlos er-
klärt. Es ist ein alter deutscher Fehler, sich über günstige Schicksals-
wendungen nicht ehrlich zu freuen, sondern an solchen herumzustochern
und aus dem Glück durch Reflexion ein halbes oder ganzes Unglück zu
machen. Bei unglücklichen Ereignissen liebt es dagegen der Durchschnitts-
deutsche, zehn, fünfzig, auch hundert Jahre zurückzugreifen, um zunächst
einmal die letzte Ursache eines Unglücks „wissenschaftlich“ festzustellen.
Der Deutsche empfindet auf politischem Gebiete nicht natürlich, nicht ein-
fach, nicht naiv genug. Seine politischen Gefühle sind oft verbogen und
schief, jedenfalls selten spontan. Die kluge Königin Margherita von Italien,
die als Tochter einer deutschen Mutter beide Völker kannte, sagte mir vor
vielen Jahren: „Sehen Sie, wie verschieden Deutsche und Italiener sind:
das Gefühlsleben des Italieners ist einfach, er liebt oder haßt, was sich für
ihn gewöhnlich damit deckt, ob er eine Person oder einen Begriffsympathisch
oder antipathisch findet. Dagegen ist der italienische Verstand gewandt
und gelenk, anstellig und geschickt, fein und voll Ressourcen. Er nimmt die
Dinge nicht absolut, sondern relativ, sucht nach einem Ausweg und findet
auch meist eine ‚combinazione‘, um das scheinbar Unvereinbare zu ver-
einen und die Situation zu retten. Der Deutsche ist gerade umgekehrt. Als
Verstandesmensch ist er gar zu oft das, was der Italiener einen ‚sempli-
‚ciotto‘ nennt, oft ein pedantischer, schwerfälliger Doktrinär, der den Wald
vor Bäumen nicht sieht; sein Gefühl aber ist unendlicher Modulationen
fähig, von der zartesten Liebe bis zur halsstarrigsten Widerspenstigkeit,
von der echt deutschen sittlichen Entrüstung bis zur ebenso deutschen