DER STURMVOGEL 289
mancherlei politische und wirtschaftliche Interessen durchkreuzen, sondern
wo auch das nationale Empfinden mitgesprochen hat, mit ruhiger
Überlegung und mit kaltem Blut behandelt werden müssen.‘“*
Das spanisch-amerikanische Gewitter war vorbeigezogen, ohne daß
unsere Fluren geschädigt oder unsere Interessen verletzt worden wären.
Aber schon ballten sich über Südafrika neue Wolken zusammen. Das Jahr
1899 brachte den seit lange latenten Konflikt zwischen den Burenrepubliken
in Südafrika und demenglischen Weltreich zum Ausbruch. Wie der Sturm-
vogel dem Unwetter vorauszieht, so erschien im März 1899 Cecil Rhodes
in Berlin. Sein Besuch galt ostentativ der Legung einer englischen Tele-
graphenlinie durch unser ostafrikanisches Schutzgebiet. Er wurde am
11. März 1899 vom Kaiser empfangen, dem sein Besuch augenscheinlich
in erster Linie galt und der ihn nach der Audienz zur Mittagstafel einlud,
der ich beiwohnte. Cecil Rhodes mußte auf jeden Unbefangenen einen
bedeutenden Eindruck machen. An ihm war nichts Pose, alles ruhige
Stärke. Er gab sich natürlich, in keiner Weise gespreizt. Erstand dem Kaiser
ehrerbietig gegenüber, aber ohne Aufregung oder gar Befangenheit. In
breiten Zügen entwickelte er Seiner Majestät das Projekt einer englischen
Kap-Kairo-Bahn. Die Augen des Kaisers leuchteten, denn jeder groß an-
gelegte Plan in jedem Erdteil entflammte seine Phantasie und entzückte
seinen für alles Ungewöhnliche empfänglichen Sinn. Diese schönen und
ausdrucksvollen Augen leuchteten in noch hellerem Glanz, als Cecil Rhodes
der Ansicht Ausdruck gab, daß Deutschland zwar in Afrika keine lebens-
wichtigen Interessen besäße, dafür aber in Kleinasien schadlos gehalten
werden sollte. Mesopotamien, der Euphrat und der Tigris, Bagdad, die
Kalifenstadt, dort läge seine Zukunft. Ich hatte Seine Majestät gebeten,
sich gegenüber Cecil Rhodes um so mehr auf Anhören und Zuhören zu
beschränken, als dieser, wie mir der englische Botschafter ausdrücklich
erklärt hatte, nur im eigenen Namen spräche, ohne Auftrag seiner Re-
gierung. Wir müßten uns vorläufig also freie Hand wahren. Aber der Wunsch,
einem Engländer, und nun gar einem hervorragenden Engländer, zu impo-
nieren, riß den Kaiser zu einem langen, geist- und gedankenreichen, sehr
glänzenden Vortrag hin, in dem er seine Gefühle, Ansichten und Pläne
über die Weltlage im allgemeinen und über Amerika und Japan, Rußland,
Italien, Österreich, über die Dardanellen und den Suezkanal, die Donau
und den Jangtsekiang, sein ganzes Programm für die deutsche auswärtige
Politik entwickelte. Als die Tafel aufgehoben war, glaubte Wilhelm II,
der unaufhörlich peroriert und Cecil Rbodes kaum zu Worte hatte kommen
lassen, auf diesen einen gewaltigen Eindruck gemacht zu haben. Cecil Rhodes
* Fürst Bülows Reden, Große Ausgabe I, 5. 72; Kleine Ausgabe I, S. 82.
19 Bülow I
Cecil Rhodes
in Berlin