Die Kaiserin
gegen England
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hatte vermutlich seinerseits die Überzeugung gewonnen, daß der Deutsche
Kaiser in seinen politischen Urteilen und Plänen weniger von Überlegung
und Einsicht als von seiner Phantasie geleitet werde. In längeren Unter-
redungen, die ich allein mit Cecil Rhodes hatte, konnte ich ihm ausein-
andersetzen, daß der Kaiser, der Kanzler und ich mit England nicht nur in
Frieden, sondern in möglichst enger Freundschaft leben wollten, natürlich
auf der Basis des ‚do, ut des“ und vor allem mit gleichen Sicherungen. Was
den Streit zwischen England und den Buren angehe, so würden wir um so
eher neutral bleiben können, je mehr England unseren Interessen in der
Welt praktisch Rechnung trüge und alles unterließe, was die deutsche
öffentliche Meinung als eine Herausforderung empfinden würde. Der Be-
such von Cecil Rhodes führte zunächst zu einem Abkommen, das der Trans-
afrikanischen Telegraphengesellschaft die Erlaubnis erteilte, durch unser
ostafrikanisches Schutzgebiet eine Telegraphenlinie zu legen. Wir brachten
dadurch unseren Wunsch zum Ausdruck, auch in Afrika mit England in
gutem Einvernehmen zu bleiben. Gegenüber dem übertriebenen Mißtrauen,
das namentlich die rechte Seite des Reichstags gegenüber England beseelte,
hob ich im Reichstag hervor, daß bei diesem Abkommen unsere Interessen
in keiner Weise zu kurz kämen.
Die Art und Weise, wie damals ein großer Teil der deutschen Presse den
Besuch von Cecil Rhodes und ihn selbst behandelte, war kleinlich und
spießbürgerlich. Daß Cecil Rhodes zum Kaiser nicht im Bratenrock, son-
dern im Cutaway gekommen war, wurde in philiströser Weise breitgetreten,
in der Presse, in den Wandelgängen des Reichstags und auch in der Gesell-
schaft. Die Erregung hatte auch die Kaiserin ergriffen, die mir in jenen
Tagen schrieb: „Am heutigen Tage, wo Ihre Zeit gewiß ganz besetzt ist,
möchte ich Sie nicht unnütz stören. Aber durch eine Konversation mit dem
Kaiser habe ich den Eindruck, daß der Kaiser momentan wieder sehr
Volldampf voraus auf England lossteuert, wenn man so sagen darf. Ich
würde gern von Ihnen hören, wie ich diesen Abend Cecil Rhodes behandeln
soll, ob etwas kühl oder ob man ihm besonders freundlich entgegenkommen
soll. Ich würde nach meinem Geschmack ersteres wählen. Außerdem sagt
der Kaiser, er ginge auf Einladung der Königin im August nach Cowes.
Dieses finde ich ganz unglaublich! Daß er seine Großmutter besucht, ist
vielleicht nicht zu verhindern, aber bitte dringend, daß Sie verhindern,
daß er in Cowes wieder segelt, besonders auf dem ‚Meteor‘. Er könnte doch
auf der ‚Hohenzollern‘ hinfahren, der Königin einen Besuch machen und
dann zurückkehren. Sich nach allem, was vorgefallen ist, wieder in diese
Gesellschaft zu begeben, sich der Gefahr dieser Segelei auszusetzen und —
last, not least — sich durch irgendeinen Kniff der Engländer im letzten
Moment immer schlagen zu lassen, das empört mich zu sehr im Sinne des