BURENKRIEG BIS ZUM ENDE 309
lange vor dem Tode der armen Kaiserin Friedrich. Es waren keine Hof-
staaten anwesend, nur die Kaiserin, ihr ältester Sohn, meine Frau und ich.
Kaiser Wilhelm sprach nach seiner Gewohnheit sehr lebhaft, aber nicht
allzu laut, als ihm seine Mutter mit schmerzlichem Ausdruck sagte: „Please,
do not speak so loud.‘‘ Und seufzend fügte sie hinzu: „Germans have to
often the bad habit to speak very loud.“ Nach Aufhebung der Tafel verließ
die Königin unter demselben Zeremoniell, wie sie gekommen war, den
Eßsaal und wurde in eine Galerie getragen, wo der Cercle begann. Der
Königin gegenüber standen ihre Söhne und Enkel, die sie einzeln mit dem
Finger heranwinkte, um ibnen die Hand zum Kusse zu reichen, was von
seiten der Prinzen in der ehrerbietigsten Weise erfolgte. Ich hatte inzwischen
längere und zum Teil interessante Unterredungen mit mir von früher
bekannten englischen Hofleuten und Ministern wie auch mit manchen der
anwesenden Diplomaten. Sie stimmten alle darin überein, daß man in
England an dem Endsieg über die Buren nicht zweifle, obwohl die letzten
Nachrichten vom Kriegsschauplatz ungünstig lauteten. Alle Welt in Eng-
land sei für Durchhalten. Gegen Chamberlain, welcher der eigentliche
Urheber des Burenkrieges sei, herrsche viel Verstimmung. Lord Salisbury
habe den Krieg nicht gern gesehen. Nun ihm aber dieser durch Chamberlain
eingebrockt worden wäre, werde der Premierminister mit dem ganzen Stolz
und dem ganzen Selbstvertrauen, das er als Engländer wie als Sproß der
Familie Cecil empfinde, den Krieg bis zum bitteren Ende durchführen. Mit
besonderer Freundlichkeit kam, obwohler uns als Welfe die Annexion Han-
novers lange nicht verziehen hatte, der alte Herzog von Cambridge, der
langjährige Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte, den deutschen
Gästen entgegen. Er sagte mir die schönen Worte: „Der Krieg in Südafrika
geht vorläufig nicht besonders, über seine politische Seite und Entstehung
läßt sich viel sagen. Aber er gibt dem englischen Adel Gelegenheit, zu
zeigen, daß er noch zu sterben weiß, und das freut mich.“
Als ich nach der Galatafel mich auf mein Zimmer begab, fand ich dort den
nachstehenden Brief des Botschafters vor, der mir unter dem 19. November
1899 aus Brighton schrieb: „Leider habe ich mir hier, wo ich mich zu er-
holen und zu kräftigen hoffte, eine starke Erkältung zugezogen, die mich
seit mehreren Tagen an das Zimmer fesselt, und der Arzt will mir nicht
gestatten, schon jetzt eine längere Eisenbahnfahrt zu unternehmen. Wie
schmerzlich es mir ist, nicht einmal zum Empfang in Windsor sein zu
können, brauche ich wohl kaum zu sagen. Ich halte aber an der Hoffuung
fest, mich Dienstag oder spätestens Mittwoch bei S. M. melden und Eure
Exzellenz dann aufsuchen zu können. Für den Fall, daß ich nicht Gelegenheit
haben sollte, Eure Exzellenz vor Ihrer ersten Begegnung mit Salisbury zu
sehen, glaube ich das Nachstehende ganz vertraulich bemerken zu dürfen:
Hatzfeldt über
die geheimen
Verhand-
lungen