Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

310 AUCH SALISBURY NICHT FÜR ALLIANZ 
1. Bei ihm persönlich habe ich bis jetzt keinerlei Gereiztheit wegen 
unserer Beziehungen zu Chamberlain bemerkt. Wenn sie überhaupt besteht, 
so ist sie gegen Chamberlain, nicht gegen uns gerichtet. Außerdem glaubeich 
jetzt als feststehend betrachten zu dürfen, daß Salisbury die Verständigung 
mit uns über Samoa schließlich selbst gewünscht hat. Er hat mir noch in 
unserer letzten Unterredung nach dem Abschluß wiederholt versichert, daß 
Samoa nach seiner Überzeugung für England keine Bedeutung habe. Die 
einzige Schwierigkeit, mit derer dabei zu kämpfen gehabt habe, sei immer 
nur die Abneigung Australiens und Neuseelands, auf die man hier, wie die 
Sachen einmal lägen, Rücksicht nehmen müsse, gegen die Abtretung an uns 
gewesen. Es scheint übrigens, daß der Abschluß nicht allein durch die Ein- 
wirkung Mr. Chamberlains herbeigeführt worden ist. Nach einer streng 
vertraulichen Mitteilung des österreichischen Botschafters hat Lord 
Salisbury ihm kurz vor der Paraphierung gesagt, daß der Abschluß zustande 
kommen werde, da Ihre Majestät die Königin es so haben wolle. 
2. Zu den Eigenheiten Lord Salisburys, mit welchen wir, solange er an 
der Spitze steht, schließlich rechnen müssen, gehört es, daß er eine positive 
Angst empfindet vor persönlichen Erörterungen und vor Ansprüchen, die 
er nicht im voraus berechnen kann. Dies bezieht sich namentlich auf eine 
Unterredung mit Seiner Majestät, welche ihm große Sorge bereitet, wird 
aber meines Erachtens, obwohl er es sorgfältig verheimlichen wird, auch bei 
der Unterhaltung mit Eurer Exzellenz zu berücksichtigen sein. Ich habe 
bereits nach Möglichkeit vorgebaut, indem ich ihm noch in unserer letzten 
Unterredung sehr deutlich zu verstehen gab, daß unser Zweck bei Regelung 
der Samoa-Frage lediglich und ausschließlich darin bestanden habe, 
die Möglichkeit fernerer Friktionen aus dem Wege zu räumen und dadurch 
gute Beziehungen zu ermöglichen. Wenn man hier keine Allianzen 
wolle (erstimmtedemlebhaftzu),soentspreche dies vollständig 
unseren Wünschen und unserer Auffassung. Wenn Eure Exzellenz 
dies im Laufe der Unterhaltung mit einem Wort bestätigen wollen, so wird 
dies Lord Salisbury voraussichtlich vollständig beruhigen und zu offener 
und freundschaftlicher Aussprache veranlassen. Diese Wirkung würde noch 
erhöht werden, wenn Seine Majestät der Kaiser auf Eurer Exzellenz Rat die 
Gnade haben will, in der Unterhaltung mit Lord Salisbury ein Wort in dem 
gleichen Sinn fallen zu lassen. 
3. Aus einer Äußerung Lord Salisburys in unserer letzten Unterhaltung 
hatte ich den Eindruck, daß er einen baldigen Konflikt zwischen Japan 
und Rußland zwar nicht für wahrscheinlich hält, diese Hoffnung aber des- 
halb nicht aufgibt. Er stellte die Möglichkeit keineswegs in Abrede und be- 
merkte nur, daß Japan mit seiner Flotte noch nicht fertig sei und daß dies 
etwa noch zwei Jahre in Anspruch nehmen werde.
	        
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