PROMEMORIA ZUM GEBRAUCH DES KAISERS 31l
4. Was wir hier, soweit ich mir ein Urteil gestatten darf, für alle Fälle
besonders zu berücksichtigen haben, ist und bleibt Mr. Chamberlain, dessen
Einfluß, wenn er die Schwierigkeiten in Südafrika siegreich überwindet,
"nach menschlicher Voraussicht noch bedeutend zunehmen muß. Auf seine
momentane Verstimmung über die Haltung der deutschen Presse lege ich
keinen besonderen Wert, glaube vielmehr, daß ihn dies nicht abhalten
wird, ein engeres Zusammengehen mit uns zu erstreben und dafür eventuell
entsprechende Opfer zu bringen. Für wünschenswert hätte ich deshalb eine
vertrauliche Aussprache Eurer Exzellenz mit ihm gehalten, ohne daß Sie
dabei besondere Verpflichtungen für die deutsche Politik
übernehmen. Ich darf mir vorbehalten, Eurer Exzellenz noch hierüber
mündlich Vortrag zu halten. Mit aufrichtiger Hochachtung bin ich Eurer
Exzellenz ganz ergebener Hatzfeldt.“
Im Einklang mit dem Botschafter Hatzfeldt, der zwar eine vertrauliche
Rücksprache zwischen mir und Mr. Chamberlain für wünschenswert er-
klärte, aber nur mit der Maßgabe, daß ich dabei keine besonderen Ver-
pflichtungen für die deutsche Politik übernähme, hatte der Reichskanzler
dem Kaiser ein von Holstein aufgesetztes, aber von Hohenlohe sorgsam
geprüftes und gebilligtes Aide-M&moire als Vademekum für seine politische
Sprache und sein ganzes Auftreten in England mitgegeben. Es hieß in
diesem Promemoria, das mir „zur Orientierung und als Direktive“ zuging:
„Eure Majestät sind zweifellos begabter als Ihre ganze Verwandtschaft,
männlich und weiblich. Eure Majestät flößen aber Ihrer Verwandtschaft
nicht den Respekt ein, der Ihrer hervorragenden Persönlichkeit — auch ab-
gesehen von der Machtstellung des Deutschen Kaisers — entsprechen
würde. Dies kommt davon, daß Eure Majestät Ihren Verwandten stets
offen und ehrlich entgegengekommen sind, sie in Ihre Pläne und Hoff-
nungen eingeweiht und dadurch zur Durchkreuzung dieser letzteren die
Möglichkeit geboten haben. Denn auch der geschickteste Hieb kann, wenn
vorher angesagt, durch einen schwächeren Fechter leicht pariert werden.
Die bevorstehende englische Reise bietet Eurer Majestät die Gelegenheit,
diese verschobene Lage zurechtzurücken und Eurer Majestät mit einem
Schlage diejenige Autorität zu verschaffen, auf welche Allerhöchstdieselben
als geistiger und als Machtfaktor Anspruch haben. Dazu brauchen Eure
Majestät gar nichts weiter zu tun, als daß Sie allen politischen Unterhal-
tungen ausweichen. Diese Zurückhaltung empfiehlt sich in erster Linie
Lord Salisbury gegenüber. Er hat sich seit Jahr und Tag angewöhnt, bei
allen akademischen oder praktischen Erörterungen über Einteilung deutsch-
englischer Machtsphären die deutschen Kombinationen mit der Redensart
abzuweisen: Vous demandez trop pour votre amitie. Er hat auch bereits
wiederholt und gegenüber verschiedenen Personen die Besorgnis aus-
Jide-Me&moire
lolsteins