342 AUGUSTE UND ALEXANDRA
von ihm am meisten gefürchtete Eventualität, nämlich ein Zusammengehen
zwischen Deutschland und Rußland, zu verhindern. Es war psychologisch
interessant, Eduard VII. im Verkehr mit seinem Neffen zu beobachten.
Der König imponierte im Grunde dem Kaiser, obwohl letzterer auch
Momente hatte, wo er den „bösen Onkel“ haßte. Die Stunden, wo er sich
nur zu gern mit ihm auch innerlich ausgesöhnt hätte, überwogen aber bei
weitem. Wenn der Onkel mit dem Neffen über Politik sprach, hatte ich die
Empfindung, daß ein dicker und boshafter Kater mit einer Spitzmaus
spielt.
Unsere Kaiserin und die damalige Prinzessin von Wales liebten sich
gar nicht. Zwischen den Häusern, denen sie entstammten, dem Hause
Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg und dem Hause Schleswig-
Holstein-Sonderl Glücksb bestand ein Verhältnis ähnlich dem,
das einst zwischen der Weißen und der Roten Rose im englischen Königs-
hause geherrscht hatte. Augustenburg und Glücksburg waren beide Sprossen
des Oldenburgischen Stammes, dessen Ahnherr Egilmar schon im elften
Jahrhundert hervortrat, und der nach und nach die Throne von Dänemark,
Rußland, Oldenburg, Griechenland und Norwegen besetzte. Zahlreiche
Zwischenheiraten hatten bis in die neueste Zeit zwischen den Häusern
Augustenburg und Glücksburg stattgefunden. Sie hatten lange am däni-
schen Hofe friedlich nebeneinander gehaust. Seit dem Schleswig-Hol-
steinschen Aufstand von 1848 standen sie sich politisch in bitterer Feind-
schaft gegenüber. Die damalige Prinzessin von Wales und spätere Königin
Alexandra von England gehörte zu den Frauen, die nicht altern. Sie hatte
noch mit siebzig Jahren die Taille eines jungen Mädchens. Ganz Eng-
länderin geworden, war sie in England unendlich populär und verdiente
diese Volkstümlichkeit durch ihre Liebenswürdigkeit, einen nie ver-
sagenden Takt, die Art, wie sie ihrem Gatten manches nachsah und
ganz in den Pflichten ihrer Stellung aufging. Während die Kaiserin
Friedrich bis an ihr Lebensende in Deutschland Engländerin blieb, war
die Königin Alexandra in jeder Richtung so englisch, wie man dies nur
sein konnte.
König Eduard, der mich schon aus meiner Pariser Zeit kannte, ist mir bei
allen Wechseln der Politik bis zuletzt persönlich ein wohlwollender Gönner
geblieben. Noch bei seinem letzten Besuch in Berlin, kurz vor meinem
Rücktritt, schenkte er mir mit sehr freundlichen Worten seine und der
Königin Bronzebüsten. Bedauerlicherweise hatte Kaiser Wilhelm, der
gerade in Kleinigkeiten eigensinnig und nicht immer feinfühlig war, bei
unserem Besuch in Sandringham seinem Onkel trotz dessen Widerspruchs
zwei Herren des deutschen Gefolges aufgenötigt, die dieser nicht ausstehen
konnte, nämlich den General von Kessel, dem die Kaiserin Friedrich vor-