Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Alexander 
Hohenlohe 
Holstein 
und Kiderlen 
12 DIE BUDE 
würdigen Wendung zu verstehen, er nähme an, daß der Kaiser mich zu 
seinem Nachfolger ausersehen hätte. Ich bestritt nicht, daß dies wohl 
möglich wäre. Aber einmal ändere der hohe Herr nicht selten seire Ab- 
sichten und Pläne, dann aber könne ich dem Fürsten versichern, daß, wenn 
der Kaiser mich nicht zu seinem Nachfolger wähle, ich gern nach Rom 
zurückginge. Sollte aber der Kaiser an mir als an dem künftigen Kanzler 
festhalten, so wäre ich dankbar für jeden Tag, den der Fürst noch bliebe, 
und würde alles tun, um sein Bleiben zu erleichtern, denn ich wäre, ganz 
abgesehen von meiner persönlichen Anhänglichkeit an ihn, überzeugt, daß 
sein Bleiben im Interesse des Landes läge. Man habe ibn einst zwischen 
1866 und 1870 „die lebendige Mainbrücke‘ genannt. Man könne ihn jetzt, 
ungeachtet seiner 78 Jahre, im Hinblick auf seine ganze Vergangenheit und 
seine Persönlichkeit eine Klammer nennen, die das Reich zusammenhalte. 
Als ich den Fürsten verließ, der mir beim Abschied sagte, wir würden uns 
in Kiel auf der „„Hohenzollern‘‘ wiedersehen, traf ich im Vorzimmer seinen 
Sohn Alexander. Der Prinz wäre gern neben seinem Vater in der Rolle 
aufgetreten, die während der letzten Jahre der Aera Bismarck Graf Herbert 
gespielt hatte. Es fehlte Alexander Hohenlohe weder an Ehrgeiz noch an 
Begabung, wohl aber an Kraft und Stetigkeit, auch an festen Grundsätzen 
und namentlich an festem und unbeirrbarem Patriotismus. Nicht als ob er 
nicht bestrebt gewesen wäre, seine Schuldigkeit gegenüber dem Lande zu 
tun. Aber der internationale Zug, den so manche deutsche Fürstenhäuser, 
souveräne wie mediatisierte, zeigen, war in ihm besonders stark ausgeprägt. 
Für Werki, die litauische Riesenbesitzung, die durch die Großmutter 
Radziwill und die Mutter Wittgenstein an das Haus Hohenlohe fallen 
sollte, sofern sich dies mit den russischen, fremdenfeindlichen Gesetzen ver- 
einbaren ließe, war Alexander Hohbenlobe gern bereit, Russe zu werden, 
und würde als solcher auch ohne Bedenken russischer Diplomat geworden 
sein. Hatte es doch sein Urgroßvater, der Fürst Ludwig Adolf Peter zu 
Sayn-Wittgenstein, in Rußland zum Generalfeldmarschall gebracht, nicht 
zu reden von den Dotationen, die ihm zuteil geworden waren. An jenem 
Tage, wo ich mich seinem Vater als designierter Staatssekretär und 
Nachfolger Marschalls vorstellte, suchte der Prinz mich namentlich 
davon zu überzeugen, daß letzterer gar keinen Anspruch auf eine Bot- 
schaft habe: ‚Wenn Sie ihm beim Kaiser Brüssel verschaffen, so ist das 
mehr als genug.“ 
Als ich das Auswärtige Amt verließ, hatte ich den Eindruck, daß 
es nicht ganz leicht sein würde, in dieser „Bude“, wie das Amt von seinen 
Angehörigen gern genannt wurde, sich dauernd zu behaupten. Mein Bruder 
Alfred pflegte in seiner stillen, Ränken und Schlichen, dem Ehrgeiz wie der 
Eifersucht gleich abgeneigten Art zu sagen, daß über dem Amt in dicken
	        
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