Abreise
von England
344, DER KAISER IN GEHOBENSTER STIMMUNG
Kenner der englischen Verhältnisse, schrieb mir vier Wochen vor dem An-
tritt der Kaiserreise nach England, als über die Opportunität dieser Reise
noch gestritten wurde, unter dem 20. Oktober 1899: „Eckardstein soll
Seiner Majestät gesagt haben, der nächste Krieg der Engländer werde
gegen die Deutschen sein. Hieraus soll Seine Majestät den Schluß gezogen
haben, daß, wenn er jetzt nicht nach England ginge, die Engländer ihm
den Krieg machen würden. Eckardstein ist nützlich als Informator, wird
aber wohl, erfüllt von dem Eindruck, den ihm der viel klügere Chamberlain
gemacht hat, nach Berlin geeilt sein. Seine Äußerungen sind nicht cum
grano sed cum copia salis aufzufassen. Die Engländer denken nicht daran,
über uns, d. h. über unsere Kolonien, herzufallen. Sie ärgern sich allerdings
über Kritik unsererseits mehr als über die Kritik anderer. Wenn unsere
Zeitungen es über sich gewinnen könnten, mal auf etwas anderes als auf die
Engländer zu schimpfen, während Franzosen und Russen sich für die Buren
montieren, so würden wir auch mit Samoa leichteres Spiel haben. Eine
europäische Koalition ist dem Engländer, obwohl er mit Recht nicht so
leicht daran glaubt, ein unheimlicher Geselle. Nur dürfen wir, ich meine
unsere Presse, ibm dieselbe nicht vorführen. Er muß von selbst darauf
kommen durch das Gebaren der Franzosen und Russen. Behalten wir
dabei eine lächelnde Miene, so bringt er uns eher ein kleines Opfer, um uns
bei guter Laune zu erhalten, an der ihm gelegen ist; machen wir ein böses
Gesicht oder gar ein drohendes, so bringt er das Opfer den anderen, aber
nicht uns. Eckardstein, den ich sonst recht gern mag, ist in diesem Fall
a fool.“
Als wir England verließen, war der Kaiser, seinem Naturell entsprechend,
in gehobenster Stimmung. Er telegraphierte mit einiger Übertreibung an
Graf Metternich: „Der Besuch in England ist in jeder Beziehung vortrefl-
lich verlaufen. Aufnahme und Stimmung so gut wie noch nie. Die Folgen
werden für die Zukunft nach menschlichem Ermessen sehr erfreulich und
günstig sein. Ihre Majestät die Kaiserin sowohl wie Bülow haben großen
Erfolg in der Royal Family gehabt. Er ist von Ihrer Majestät in längerer
Privataudienz empfangen worden.“
Aus Friedrichshof wehte ein anderer Wind. Auf Wunsch des Kaisers
hatte ich seiner Mutter aus Sandringham geschrieben, wie freundlich wir
dort und in Windsor aufgenommen worden wären. Ich hatte, da der
Kaiser mich direkt darum bat, hierbei einfließen lassen, daß es Seiner
Majestät eine Genugtuung gewesen sei, dem englischen Hof gerade
in einer Zeit, wo England mancherlei ungerechter Feindschaft und
Gehässigkeit ausgesetzt wäre, einen Beweis seiner Anhänglichkeit und
unerschütterlichen Freundschaft zu geben. Die Kaiserin Friedrich wünschte
an und für sich nichts sehnlicher als die besten Beziehungen zwischen ihrer