368 DAS SCHON EINGENOMMENE PEKING
schenkel pflanzte, als ob er den Stab stets getragen hätte. Waldersee wird
nach meinem Eindruck zwar sehr selbständig, mit möglichster Umgehung
der leitenden Stellen zu Hause, aber doch mit großer Vorsicht militärisch
und diplomatisch nach seiner Ankunft in China vorgehen, falls dann noch
etwas für ihn zu tun übrigbleibt. Die Einnahme von Peking has cast a
temporary gloom over our otherwise happy circle. Graf Schlieffen, welcher
hier weilt und einen stillen, ruhigen, vortrefflichen Einfluß im Rate der
Mächtigen ausübt, ist der Ansicht, daß die verbündeten Truppen Peking
besetzt halten sollten. Es scheint mir dies ein selbstverständliches Gebot
der Klugheit zu sein, unter der Voraussetzung, daß sie dies ohne Ge-
fährdung ihrer selbst können. Was hier jetzt wohl vor allem gefürchtet
wird, sind Velleitäten anderer zu Friedensunterhandlungen, ehe Waldersee
unter Triumphbögen mit weiß gekleideten chinesischen Jungfrauen an den
Toren der Städte irgendwo durch das chinesische Land zieht. Ich fürchte
aber, daß für andere, wenn sie vorher Frieden schließen können, Er-
wägungen dieser Art nicht ausschlaggebend sein werden. Es ist jedoch an-
scheinend in Peking niemand vorhanden, mit dem unterhandelt werden
könnte, und außerdem sehr zweifelhaft, ob die Chinesen sich schon jetzt
den Bedingungen der Mächte unterwerfen würden. Der kaiserliche Hof ist
inzwischen nach Hsianfu entflohen, einem Ort, den selbst Graf Schlieffen
mit seinem Stabe auf der Karte bis jetzt nicht hat auffinden können. In-
zwischen rücken immer wieder neue Banden von Süden nach Norden vor,
und es mag dem Grafen Waldersee noch manche ehrenvolle Aufgabe in
einigen Wochen zu lösen bleiben. Sollte aber China schon vorher mürbe sein,
so werden wir dem nicht wehren können, daß andere Frieden schließen,
wenn es in ihrem Vorteil liegt. Ob wir, vereinzelt, dann einen nochmaligen
Zug nach Peking unternehmen werden, erscheint mir von zweifelhaftem
Werte. Auch würden wir dann unter dem Angebot der guten Dienste derer,
die nicht wünschen, daß die Sache nochmals losgehe, diplomatisch erdrückt
werden. Es ist indes unnütz, den Ereignissen vorgreifen zu wollen, wenn sie
nicht von einem selbst abhängen. Zum Kriegführen gehören von alters her
zwei, und was man selbst zu tun hat, hängt zum großen Teil davon ab, was
der Gegner tut. Das wissen wir aber noch nicht; warten wir daher ab. Wohl
infolge der Einnahme von Peking und in dem Vorgefühl, daß dort für uns
vielleicht nicht mehr viel zu tun übrigbleibe, ist neuerdings hier von
unberufener Seite auch wieder der phantasiereiche Plan eines Marsches von
unserem Pachtgebiet nach Norden heraufbeschworen worden. Graf
Schlieffen, welcher großes Zutrauen zu mir gefaßt zu haben scheint und
alle diese Fragen vorher mit mir bespricht, ist dagegen. Nur noch ein Wort
in gewohnter Offenheit über den Jangtsekiang. Das Stromgebiet soll
offen bleiben für den Handel aller unter den gleichen Bedingungen für alle.