Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

XXIV. KAPITEL 
Reise mit Lucanus nach Homburg (16. X. 1900) » Vortrag beim Kaiser - Unterredung 
mit Fürst Chlodwig Hohenlohe - Ernennung zum Reichskanzler und preußischen 
Ministerpräsidenten - Donna Laura Minghetti » Entlassungsgesuch Posadowskys - Ein- 
segnung des Prinzen Adalbert - Rückreise nach Berlin » Erste Staatsministerialsitzung 
unter Bülows Vorsitz + Brief des Generalfeldmarschalls von Lo& - Herbert Bismarck 
an Bülow » Freiherr von Richthofen Staatssekretür des Auswärtigen Amtes - Glück- 
wunschschreiben - Personalveränderungen 
ch bin, soweit ich politisch denken kann, ein abgesagter Feind der 
Fatalitätstheorie gewesen, d. h. des Glaubens an ein unabwendbares 
Schicksal, gegen das alle Tätigkeit des Menschen unnütz wäre, jener Lehre, 
zu dersich alle Besiegten und Blamierten der Weltgeschichte, von den 1859 
und 1866 unterlegenen österreichischen Diplomaten und Generalen bis zu 
Bethmann Hollweg und seinen Mitarbeitern, geflüchtet haben. „Was will 
man noch mit dem Schicksal! Die Politik ist das Schicksal!“ äußerte Na- 
poleon, von dem ich schon einmal einen ähnlich lautenden Ausspruch an- 
geführt habe, im Laufe der denkwürdigen Unterredung, die er am 8. Oktober 
1808 in Erfurt mit unserem größten Dichter führte, Worte, die im Studier- 
zimmer jedes Diplomaten angeschlagen werden sollten. Staatsmänner, die 
an die Zwangsläufigkeit der Entwicklung glaubten, haben nur zu oft die 
Völker, die sich ihnen anvertrauten, in Niederlagen und Katastrophen 
geführt. Mut und Geschick vermögen auch die übelste Lage zum Besseren 
zu wenden. In deiner Brust sind deines Schicksals Sterne! Wenn in der 
Politik Zurückhaltung, ein gewolltes Stillsitzen und Abwarten zeitweise 
gewiß ebenso notwendig sein können wie in anderen Zeiten Kühnheit und 
Avancieren, so habe ich doch nie die Passivität verstanden, die sich einer 
unglücklichen Entwicklung feige unterwirft, weil sie nun einmal unab- 
änderlich sei. Es gibt keine politische Lage, der sich nicht eine bessere Seite 
abgewinnen läßt. „Il n’y a point d’accident si malheureux dont les gens 
habiles ne tirent pas quelque avantage, ni de si heureux que les imprudents 
ne puissent tourner ä leur prejudice“, ist eine der treffendsten Maximen 
von La Rochefoucauld. Der zweite Teil dieser Maxime wird, nebenbei ge- 
sagt, durch das Verhalten der preußischen Konservativen und des Kaisers 
Wilhelm II. nach meinem Wahlerfolg von 1907 bestätigt. Wer als Fatalist
	        
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