Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

EINHEITLICHE REGIERUNG 389 
das Deutschland in der tiefsten Erniedrigung sah, die es vordem Zusammen- 
bruch von 1918 erlebte, an Weimar vorüber, gleich Bethlehem in Juda 
klein, doch groß, bis die wuchtigen Kirchtürme von Jüterbog vor mir auf- 
tauchten, in dessen Nähe das Dorf Dennewitz liegt und das Schlachtfeld, 
wo Berlin am 6. September 1813 vom General Friedrich Wilhelm Bülow 
vor dem Feinde gerettet und die Grundlage gelegt wurde zur Befreiung 
und Wiedererrichtung des Vaterlandes. 
Am Abend in Berlin eingetroffen, setzte ich für den nächsten Tag eine 
Sitzung des Staatsministeriums an, in der ich zunächst die Verdienste 
hervorhob, die sich mein Amtsvorgänger durch nie ermüdende Pflichttreue, 
Umsicht und eine auf gereifter Lebenserfahrung beruhende Weisheit um 
das Vaterland erworben hätte. Ich legte darauf die Gesichtspunkte dar, 
nach denen ich in voller Überzeugung mit dem König und Kaiser die 
preußischen Geschäfte zu führen gedächte. Was ich vor allem erstrebe und 
fordere, sei eine in sich geschlossene Regierung. Jedem Mitglied des Staats- 
ministeriums bleibe es überlassen, seiner Ansicht im Schoße des Staats- 
ministeriums Ausdruck zu geben und sie so weit als möglich zur Geltung 
zu bringen. Wenn aber einmal ein Beschluß des Staatsministeriums vor- 
liege, der die Billigung der Krone gefunden habe, müsse er von allen Staats- 
ministern gleichmäßig vertreten werden, parlamentarisch und publizistisch, 
amtlich und persönlich. Die vielfach verbreitete Annahme, daß innerhalb 
des Staatsministeriums verschiedene Anschauungen und Richtungen be- 
stünden, müsse aufhören. Ein durchaus einheitliches Ministerium sei die 
Vorbedingung für diejenige Stetigkeit und Zielbewußtheit der Regierung, 
die das Land verlange und brauche und die auch unerläßlich sei für eine 
wirksame Vertretung der Rechte der Krone. Ich betonte die Notwendigkeit 
voller Übereinstimmung zwischen der preußischen Politik und der Reichs- 
politik. Der Kaiser wisse wohl, wo die Wurzeln seiner Kraft liegen und daß 
die preußische Monarchie die Basis seiner Stellung im Reich und in der Welt 
sei. Seine Majestät erwarte aber auch, daß seitens des preußischen Staats- 
ministeriums alles geschehen würde, um ihm seine Stellung als Oberhaupt 
des Reichs und die Führung der Reichspolitik zu erleichtern. Diese Auf- 
fassung Seiner Majestät teile ich nicht nur, fügte ich hinzu, aus pflicht- 
schuldigem Gehorsam, sondern aus innerster Überzeugung. Ich würde nie 
im Reich zulassen, was Preußen schädigen oder auch nur ungünstig be- 
einflussen könnte. Aber andererseits müsse die preußische Politik Rücksicht 
nehmen auf die Bedürfnisse des Reichs und auf die politische Lage im 
Reich. Der König und Kaiser habe mir gegenüber ausdrücklich betont, 
daß über Inbalt und Verlauf der Sitzungen des Staatsministeriums strenges 
Stillschweigen bewahrt werden müsse. Es sei ausschließlich Aufgabe des 
Ministerpräsidenten, zu bestimmen, ob und was über Staatsministerial- 
Sitzung 
des Staats- 
minisieriums
	        
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