Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

RICHTHOFEN FÜR DAS ÄUSSERE 393 
Radowitz waren Todfeinde, die sich nicht zusammen vor denselben 
Wagen spannen ließen. 
Ich hatte mich schon auf der Fahrt von Berlin nach Homburg für den 
bisherigen Unterstaatssekretär Richthofen als künftigen Staatssekretär 
des Äußern entschieden. Holstein hatte mir für diesen Posten einige ganz 
unfähige Kandidaten vorgeschlagen, in der Hoffnung, unter einem unzu- 
länglichen Staatssekretär für alle Seitensprünge und Intrigen freiere Hand 
zu haben. Ich hatte einige Mühe gehabt, den Kaiser für Richthofen zu ge- 
winnen. Der hohe Herr liebte nicht den traditionellen preußischen Beamten 
mit seiner Nüchternheit, seiner Sachlichkeit, seinem Bienenfleiß, seiner 
Gewissenhaftigkeit und strengen Pflichttreue. Er fand solche Leute 
„ledern“, gab aber bei ruhiger Überlegung doch zu, daß sie im Verein mit 
dem preußischen Offizier den preußischen Staat aufgerichtet und über alle 
Stürme weggebracht hatten. Als Unterstaatssekretär setzte ich den bis- 
herigen Direktor der handelspolitischen Abteilung, den Geheimen Rat von 
Mühlberg, durch, der, ein ebenso hervorragender Arbeiter und Beamter wie 
Richthofen, gleich diesem in allen von ihm bekleideten Stellungen dem 
Lande ausgezeichnete Dienste geleistet hat. 
Der begabteste Vertreter der Bismarckschen Tradition in der Presse, 
Hugo Jacobi, hatte mir nach meiner Ernennung zum Reichskanzler ge- 
schrieben: „Ihrer noch ungebrochenen Kraft harren große und schwere 
Aufgaben, an deren Gelingen das Heil des Landes hängt; aber ein großes 
Vertrauen kommt Ihnen hoffnungsvoll entgegen. Seit zehn Jahren wartet 
die Nation auf ihren politischen Führer. Ihren Amtsantritt umleuchtet 
glückverheißend die glorreiche Erinnerung des 18. Oktobers. Möge das 
‚nova vita incipit‘ wie für Eure Exzellenz auch für das Vaterland gelten.“ 
Ich kann bei diesem Anlaß einflechten, daß Herbert Bismarck, als er einige 
Monate vor meiner Ernennung zum Reichskanzler mir die Hoffnung aus- 
drückte, ich würde bald an die Stelle von Hohenlohe treten, hinzufügte: 
„Mein Vater hat mir schon vor Jahren gesagt: Der junge Bernhard Bülow 
gehört zu den drei oder vier Männern, die nach meinem Tode das Reich 
zusammenhalten müssen.“ Ein anderer intimer Freund des Hauses 
Bismarck, Graf, später Fürst Guido Henckel-Donnersmarck, schrieb mir: 
„Zu der angetretenen großen Erbschaft aufrichtigen Glückwunsch. Lägen 
nicht Caprivi und Hohenlohe dazwischen, würde ich mit größerer Begeiste- 
rung Glück wünschen und mich der Begebenheit inniger freuen. Indes, keine 
Rose ohne Dornen.“ Der mir seit jeher etwas unheimliche Dr. Hinzpeter 
schrieb mir, er gratuliere mir um so aufrichtiger, als er wisse, wie unendlich 
schwer es sei, zugleich das Vertrauen und die Sympathie seines früheren 
hohen Zöglings zu erwerben. Da es ihm selbst nur gelungen sei, das erstere 
und nicht das letztere zu erlangen, könne er sich nicht einer gewissen 
Richthofen 
Staatssekretär 
Sympathie- 
Kund- 
gebungen
	        
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