Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

VON SALISBURY NICHTS ZU ERWARTEN 433 
herausgefühlt haben werde, mache Salisbury Schwierigkeiten in der Ober- 
befehlsfrage, und es sei unberechenbar, wozu er sich schließlich entscheiden 
werde. Der Botschafter versuche jetzt Lascelles ins Feuer zu schicken und 
auch Chamberlain für die Sache zu interessieren. Aber er dürfe ihm im 
Vertrauen nicht verheimlichen, daß die Stimmung in den englischen 
Regierungskreisen keine günstige für uns sei. Das Foreign Office sei ver- 
stimmt, daß wir seine Anregung bezüglich der japanischen Intervention 
in China unter den Tisch hätten fallen lassen. Hatzfeldt war den Herren 
vom Foreign Office die Antwort nicht schuldig geblieben und hatte sie 
sehr bestimmt darauf hingewiesen, daß die Haltung der deutschen Regie- 
rung in Südafrika wie in China angesichts der deutschen öffentlichen 
Meinung eine außerordentlich korrekte und dankenswerte gewesen wäre. 
In betreff der japanischen Intervention hätte man nicht verlangen können, 
daß wir uns pour les beaux yeux de l’Angleterre, auf dessen eventuelle 
Unterstützung wir nicht einmal mit Sicherheit rechnen 
könnten, die russische Feindschaft zuziehen sollten. Lascelles hatte dies 
auch gar nicht geleugnet, war aber immer wieder darauf zurückgekommen, 
daß man unsere Haltung in England nicht als eine überall und stets freund- 
schaftliche betrachten könne. Der Brief schloß mit den Worten: „Sie 
werden hoffentlich mit mir einverstanden sein, daß ich über diese Symptome 
nicht, oder wenigstens noch nicht, amtlich berichte, da dies großen Schaden 
an maßgebenden Stellen anrichten könnte. Dem Staatssekretär Graf Bülow 
und Ihnen gegenüber glaube ich aber die Wahrheit nicht verschweigen zu 
dürfen. Sie müssen wissen, daß wir momentan hier nicht mit freundlichen 
Gesinnungen zu rechnen haben.“ 
Am 20. August 1900 hatte Hatzfeldt an Holstein geschrieben: „In be- 
zug auf unsere Beziehungen zum jetzigen englischen Kabi- 
nett muß ich leider bei der Ihnen wiederholt ausgesprochenen 
Überzeugung bleiben, daß wir vom jetzigen Premierminister 
Salisbury keineFreundlichkeitzuerwartenhaben. Ich glaube ihn 
persönlich besser zu kennen als irgendein Fremder und weiß, daß der 
Hochmut bei ihm persönlich die größte Rolle spielt. In diesem Hochmut 
fühlt er sich teils durch politische, noch viel mehr aber durch persönliche 
Vorgänge verletzt, und nichts, was ich dagegen sagen könnte, wird an dieser 
Stimmung etwas ändern. Nur die politische Notwendigkeit wird ihn ver- 
anlassen, in einzelnen Fragen einzulenken, wie er dies in der Frage des 
Oberbefehls, de mauvaise gräce und weil er nicht anders konnte, getan hat. 
Unsere Aufgabe ist es daher, die Dinge so zu wenden, daß er uns folgen muß 
wie in der Oberbefehlsfrage, ohne daß er deshalb behaupten könnte, uns 
eine besondre Gefälligkeit erwiesen zu haben. Jedenfalls werden wir aber 
nach meinem Gefühlnoch längere Zeit mit ihm zu rechnen haben, da ich 
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