Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Die Friktion 
zwischen dem 
Kaiser und 
Salisbury 
434 DER „METEOR“ GEWINNT NICHT 
weder an die ihm zugeschriebene Absicht, sich zurückzuziehen, noch auch 
daran glaube, daß er durch Neuwahlen oder andere Umstände aus dem Sattel 
gehoben werden wird. Wir dürfen uns aber meines Erachtens auch darüber 
nicht täuschen, daß Lord Salisbury in der Regierungspartei nicht der 
einzige ist, der uns politisch nicht wohlwill. Als ich neulich in der Ober- 
befehlsfrage auf andere Minister einzuwirken suchte, fand ich zwar poli- 
tisches Verständnis für die Notwendigkeit, uns entgegenzukommen, aber 
nur geringen persönlichen Enthusiasmus. In den Büros des Foreign Office 
herrscht, wie ich Ihnen schon früher schrieb, durchaus keine freundliche 
Gesinnung für uns, für Deutschland und die Deutschen, wenn sie sich auch 
unter freundlichen Formen versteckt. Man findet dort ganz naiv, daß unser 
Interesse in allen großen politischen Fragen, wenn wir es richtig verstehen, 
mit demjenigen Englands übereinstimmt und daß wir daher letzterem zu 
folgen haben, ohne besondere Belohnung oder Vorteile dafür zu 
verlangen. Auch in geselligen Kreisen finden wir wenig Sympathie. Es 
wird mir aus sehr guter Quelle versichert, daß neulich in Cowes sogar unter 
den Seiner Majestät nahestehenden Kreisen (Lord Ormonde usw.) durchaus 
keine Mißstimmung herrschte, als der ‚Meteor‘ nicht gewann. Das Fazit aus 
alledem scheint nach wie vor, daß wir den Leuten hier in den vorkommen- 
den Fragen zeigen müssen, ohne Animosität an den Tag zu legen, daß wir, 
wie in der Jangtse-Frage, nicht zu haben sind, wenn man uns nicht das 
entsprechende Entgegenkommen zeigt. Das setzt natürlich voraus, daß 
wir uns auch Rußland gegenüber nicht fest engagieren. Soweit sich die 
Stimmung dort gegen uns nach den Zeitungen beurteilen läßt, würden wir 
davon auch wenig Freude haben.“ 
Die persönliche Verstimmung des englischen Premierministers gegen uns 
war bekanntlich auf wiederholte Friktionen zwischen ihm und Wilhelm II. 
zurückzuführen, die der hochfahrende Lord dem unvorsichtigen Monarchen 
nie verziehen hat. Der Marquess of Salisbury hatte Kaiser Wilhelm II. 
weder den persönlichen Zusammenstoß vergessen, den dieser vor meinem 
Amtsantritt bei einem seiner ersten Besuche in England mit ihm gehabt 
hatte, noch insbesondere dessen Versuch, hinter dem Rücken seiner deut- 
schen verfassungsmäßigen Berater den leitenden englischen Minister in den 
Augen der Großmutter Seiner Majestät, der Königin Victoria, zu dis- 
kreditieren. Lord Salisbury war übrigens nicht der einzige große Minister 
eines großen Landes, der einen derartigen Versuch eines fremden Souveräns 
krummnahnn. Der eigentliche Grund, daß Fürst Bismarck 1879 die Wendung 
zum Bündnis mit Österreich so rasch und heftig vornahm, war, wie man sich 
erinnert, der Verdacht, daß Alexander II. in Alexandrowo seinen Onkel, 
den alten Kaiser Wilhelm, allein oder gar in Verbindung mit dem Feld- 
marschall von Manteuffel gegen den Fürsten Bismarck aufgestachelt hätte.
	        
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