PRINZ HEINRICH LOBT JAPAN 437
plimente verfehlen bei den Japanern niemals ihre Wirkung und fallen auf
den sehr fruchtbaren Boden ihrer großen Eitelkeit. Es ist erstaunlich, was
jenes Land in den letzten zwanzig Jahren geleistet hat, um sich zu der Stel-
lung emporzuarbeiten, die es jetzt zweifellos einnimmt. Japan will als
Großmacht behandelt und angesehen werden, und kann ich nur hinzufügen,
daß es hierzu ein volles Recht hat. Man sagte mir, daß Japans Handels-
beziehungen stets zugunsten jener Nation ausfielen, welche es am besten
behandelte. Die Artigkeit, Zuvorkommenheit und Höflichkeit, mit der
ich in jenem Lande aufgenommen wurde, ist über jedes Lob erhaben. An
der chinesischen Küste ist man unter den Europäern geneigt, über den
Japaner schlecht und schroff zu urteilen, und muß ich gestehen, daß ich bis
zu dem Augenblick der persönlich gewonnen Eindrücke stark beeinflußt
worden war. Gründe für diese Abneigung sind wohl darin zu suchen, daß
der japanische Kaufmann nicht so zuverlässig ist wie der chinesische
und daß man in Japan nicht mehr unter denselben Bedingungen leben
kann wie vor zwanzig Jahren. Diese Auffassung kann ich jedoch nur als
eine einseitige und beschränkte bezeichnen. Ein Volk, welches wie Japan
mit aller Energie an seiner Selbständigkeit und Emanzipation von den
Europäern arbeitet, wird den letzteren naturgemäß unbequem. Die Nation
dieserhalb zu verurteilen, halte ich nicht für richtig. England mit seinem
klugen, gut geschulten und weitgehenden Weltenblick handelte weise,
als es den Japanern zu ihrer eigenen Jurisdiktion verhalf und bei dieser
Frage die leitende Stelle zugunsten Japans nahm ... Dem heutigen vor-
urteilsfreien Beschauer kann es nicht entgehen, daß Japan nicht mehr das
harmlose Land der Geishas, Lackwaren usw. ist, sondern vielmehr aus
einem sehr patriotisch und streng national gesonnenen Volke besteht,
welches jetzt bereits die erste und achtunggebietende Macht in Ostasien
repräsentiert. Sich mit dieser Macht gut stellen, heißt eine politische Klug-
heit begehen.‘ Der Brief des Prinzen Heinrich schloß mit den für seine
schlichte Art wie für seine Herzensgüte bezeichnenden Worten: „Ich bin
nach wie vor gern in meiner Stellung, die mir so unendlich viel Interessantes
bietet, worin ich die Kompensation erblicke für die lange Trennung von
der Heimat und den Meinen. Andererseits erblicke ich in diesem Opfer
meine Pflicht und meinen Stolz als Seeoffizier. Indem ich Sie bitte, mich
der Frau Gräfin auf das angelegentlichste zu empfehlen, verbleibe ich,
mein lieber Herr Graf, Ihr sehr treu und dankbar ergebener Prinz Heinrich
von Preußen.“ .
Ich hatte diesen Brief zum Gegenstand eines längeren Vortrages beim
Kaiser gemacht, um ihn, wie schon mehrfach früher und wie später noch
oft, zum Eingehen auf gewisse japanische Wünsche (Zulassung japanischer
Offiziere zum Besuch unserer Kriegsakademie u. ä.) sowie für eine freund-