RANKÜNE GEGEN BISMARCK 449
wieder an dem Anfang unseres Gesprächs angelangt. Die Erregung wendet
sich gegen den absoluten Kaiser, und dasjenige, wasdiese Ansichterwecken
kann, muß vermieden werden.‘ Fast spottend meinte der Kaiser: ‚Ich
ein absoluter König!!‘ In diesem Augenblick trat Goertz zwischen uns, das
Gespräch unterbrechend, das ich Dir, wie gesagt, fast wörtlich wiedergebe.
Die Tendenz zur ‚Gewalt‘ leuchtet trotz aller Einschränkungen heraus, die
S. M. sich auferlegt. Ein verbängnisvolles Mißverstehen der Lage tritt mir
entgegen, das uns mit banger, quälender Sorge erfüllen muß. Wird es Dir
gelingen, Ihn vor unberechenbaren Schritten zu bewahren? Die Elemente
zu beseitigen, die ihn zu Dingen treiben, deren Tragweite er nicht kennt?
Der Kaiser kam später noch einmal auf das Gespräch zurück, indem er
meinte: ‚Bei dem, was du Mir sagst, wird Mir die kolossale Perfidie des
alten Bismarck recht klar, der Mich veranlassen wollte, den Absolutismus
schärfer herauszudrehen und Preußen materiell mehr (auf Kosten der
Bundesstaaten) in den Vordergrund zu stellen! Ich war doch zu schlau,
um auf diese Zumutung hineinzufallen, die Mich in Verlegenheit und da-
durch in Abhängigkeit von ihm bringen sollte.‘ “
Obschon er mir das Gegenteil versicherte, ließ Philipp Eulenburg es sich
doch nur zu oft angelegen sein, von ihm sorgsam destilliertes, nicht selten
vergiftetes Öl in die Glut der kaiserlichen Ranküne gegen Bismarck zu
gießen. Zu den von Eulenburg und seinem damaligen Intimus Holstein mit
Vorliebe vorgebrachten Insinuationen gehörte die Behauptung, Bismarck
habe den jungen Kaiser Wilhelm II. zu einem Staatsstreich im Innern über-
reden und ihn gleichzeitig veranlassen wollen, Österreich an Rußland zu
verraten. Wilhelm II. hat namentlich in den ersten Jahren seiner Regierung
gern mit diesen beiden Argumenten operiert, um die Entlassung des Für-
sten Bismarck zu rechtfertigen. Beide sind in Wirklichkeit mehr oder
weniger sophistische Vorwände. Wilhelm II. beging, von Caprivi, Marschall
und Holstein schlecht beraten, in jugendlicher Unüberlegtheit, in Geschäfts-
unkenntnis und Urteilslosigkeit den großen, inkommensurablen Febler,
den deutsch-russischen Rückversicherungsvertrag, noch dazu in verletzen-
der und ungeschickter Form, zu kündigen, hat aber im weiteren Fortgang
seiner Regierung mehr als einmal versucht, wieder zu einem vertrags-
mäßigen Verhältnis zu Rußland zu gelangen. Er hat auch bald nach dem
Sturz des Fürsten Bismarck und bis an das Ende seiner Regierung von
seinen Ministern nicht nur gesetzliche Maßnahmen gegen die Sozial-
demokratie, sondern mehr als einmal gewaltsames Einschreiten gefordert.
Wenn er 1890 anders sprach, so war es, weil er damals zunächst und vor
allem den ihm lästigen Kanzler loswerden wollte, nicht weil er einen Staats-
streich an und für sich als verwerflich oder ein vertragsmäßiges Verhältnis
mit Rußland als einen Verrat an Österreich-Ungarn betrachtet hätte.
29 Bülow I
Feststellungen
über
Bismarcks
turz