W.T.B.
meldet
Vertretung
24 BISMARCKS HAUS
land bestrahlt hatte und von dem auf Tegel wie auf dem Goethehaus in
Weimar noch immer ein Schimmer liegt, war in Friedrichsruh nichts zu
spüren. Aber gerade diese Abwesenheit jedes schönen Scheins war ein
würdiges Abbild des wahren preußischen Geistes, dessen letzter und größter
Vertreter nach und mit Friedrich dem Großen Fürst Bismarck gewesen
war. Das ganze Haus, sein ganzer Zuschnitt schien die Mahnung zu wieder-
holen, die das Orakel von Delphi einst den nach ihrer Zukunft fragenden
Spartanern erteilt hatte: „Reichtum wahrlich allein, sonst nichts kann
Sparta verderben.‘ Und vor allem war dies das Haus des Mannes, der, wie
ich vier Jahre später vor seinem Denkmal in Berlin sagen sollte*, ausgeführt
und vollendet hatte, was seit Jahrhunderten das Sehnen unseres Volkes
und das Streben unserer edelsten Geister gewesen war, was die Ottonen
und Salier und Hohenstaufen vergeblich angestrebt hatten, was 1813 den
Kämpfenden als damals nicht erreichter Siegespreis vorschwebte, wofür
eine lange Reihe Märtyrer der deutschen Idee gekämpft und gelitten hatten.
Alle großen Erinnerungen, alle guten Geister der deutschen Geschichte
schwebten über diesem scheinbar so nüchternen Haus.
Während Fürst Hohenlohe mit mir in Friedrichsruh weilte, war durch
das offiziöse Wolffsche Telegraphenbüro nachstehende Meldung verbreitet
worden:
Kiel, Montag, 28. Juni.
„Nachdem der Gesundheitszustand des Freiherrn Marschall von Bieber-
stein seine Ersetzung als Staatssekretär des Auswärtigen Amtes not-
wendig gemacht hat, ist, sicherem Vernehmen nach, der kaiserliche Bot-
schafter in Rom Herr von Bülow von Seiner Majestät dem Kaiser zunächst
stellvertretungsweise mit der Leitung des Auswärtigen Amtes betraut
worden. Herr von Bülow, der sich zwei Tage lang hier aufgehalten hat und
vom Kaiser wiederholt empfangen worden ist, wird die Geschäfte nach der
RückkehrdesKaisers nach Berlin übernehmen ;bis dahin werden sie wiebisher
von dem Unterstaatssekretär Freiherrn von Rotenhan wahrgenommen.“
In Berlin fand ich auf meiner Durchreise nach dem Semmering
Holstein und Rotenhan in gleich zufriedener Stimmung, Holstein froh, daß
er sich noch einige Wochen, ohne von mir an die Leine genommen zu werden,
umhertummeln konnte, Rotenhan zufrieden, daß ihm die interimistische
Führung der Geschäfte anvertraut blieb. Ich war mir von Anfang an dar-
über klar, daß Herr von Rotenhan mir als Unterstaatssekretär nicht ge-
nügen würde. Er war wie alle Söhne dieses alten fränkischen Geschlechts
ein vornehmer Charakter, dabei ein Mann von Erfahrung und Urteil, aber,
* Fürst Bülows Reden, Große Ausgabe I, S. 222; Kleine Ausgabe I, S. 246.