458 n... SO FLIEGEN MEHRERE KÖPFE"
das übrigens schrecklich gewesen sein soll durch seine Führung, die
lediglich auf Knalleffekte hinauslief, hat ihn erfrischt und von mancherlei
abgelenkt, was ihn nervös machte. So fand ich ihn denn viel besser, als ich
nach den traurigen Erfahrungen im Juli nur irgend erwarten konnte. Ich
freue mich von Herzen, daß solche Beruhigungen noch möglich sind,
pourvu que cela durc! Gegen Abend Ankunft in dem sehr hübschen
Cadinen. Die Unterhaltung dreht sich bei dem Abendessen und noch nach-
her um die Brandstiftung in meinem Liebenberg. Der Kaiser behauptet, es
ginge von Sozialdemokraten aus, die mich treffen wollten, weil ich mit ihm
befreundet sei.“ Am 21. September 1900 fuhr Eulenburg fort: „Die Ma-
jestäten reiten früh 7 Uhr mit den Adjutanten spazieren. Ich schlafe natür-
lich unterdessen. Nach dem Frühstück ruft mich der Kaiser auf die Garten-
terrasse. Er liest die Depeschen. Ich knüpfe eine Unterhaltung an, in der
ich ungefähr sagte: Die Frage in China sei entsetzlich schwierig, die Gefahr
einer Verständigung Rußlands und Englands, umihn zublamieren, groß,
weniger die einer kriegerischen Koalition gegen uns. Äußerste Vorsicht sei
für ihn zwingende Notwendigkeit. Ein Fehler, den er mache und der nicht
mehr durch seine Beamten gedeckt werden könnte, würde alle ihm feind-
lichen Elemente in Deutschland einigen und eine Koalition im Inneren
heraufbeschwören, der er vielleicht weniger Herr werden könne als einer
äußeren. Der Kaiser erging sich dann in Betrachtungen über die Politik
der Agrarier, wobei er immer lebhafter wurde. Zum Schluß sagte er: ‚Wenn
die Hunde es wagen sollten, aus irgendeinem Anlaß sich gegen Mich zu
wenden, in offenkundiger, systematischer, gefährlicher Weise, so fliegen
mehrere Köpfe, so wahr Ich hier stehe. Denn das ist Hochverrat.‘ Ich
hielt es für besser, abzubrechen. Wie sich der Gute wohl das Köpfenlassen
im Jahre 1900 denkt??... Später lange Mitteilungen des Kaisers über die
Haltung der Kaiserin in Fragen der Erziehung der Prinzen August Wilhelm
und Oskar. Sie hat schon in Berlin und Stettin erklärt, daß sie sich absolut
widersetzen werde, daß die Prinzen im nächsten Jahr nach Plön kommen.
S.M. befindet sich in Angst wegen einer drohenden großen Szene. Um
10 Uhr fährt der Kaiser mit mir auf das Feld, um neue Kartoffelaushebe-
maschinen zu sehen... Die Kaiserin ist beleidigt, daß sie nicht mitfahren
darf, und macht mir bei Tisch die Bemerkung, daß sie natürlich nicht mit-
kommen dürfe, wenn ich da sei. Um 4 Uhr Fahrt zu der neuen Ziegelei, die
mir S.M. zeigen will. Die Kaiserin erscheint, angeblich mit Schnupfen und
Kopfschmerzen, und fährt mit uns. Vor dem Essen, als alles versammelt
ist, erscheint der Kammerdiener mit der Nachricht, die Kaiserin käme
nicht zum Essen. S.M. ziemlich zerstreut, geht gleich nach Tisch im
dunklen Garten mit mir auf und ab. Es hat cine entsetzliche Szene gegeben.
Endlose Auseinandersetzungen, in denen der Kaiser fest bleibt, da er der