Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Stimmung der 
Öffentlichkeit 
472 DIE BURENBEGEISTERUNG 
Kaiser war schr erfreut. Ihm lag in diesem Augenblick vor allem daran, 
seine englischen Verwandten, für die er abwechselnd schwärmte, um dann 
wieder in eine gereizte Stimmung gegen die „verfluchte family“ zu verfallen, 
nicht vor den Kopf zu stoßen. Nach Berlin zurückgekehrt, wies ich den 
kaiserlichen Gesandten in Luxemburg Herrn von Tschirschky an, sich nach 
Köln zu begeben, um dem Präsidenten Krüger im Auftrage des Kaisers 
in höflicher und freundlicher Form mitzuteilen, daß Seine Majestät ihn 
nach seinen bereits getroffenen Dispositionen nicht empfangen könne. 
Infolgedessen reiste Krüger zwei Tage später von Köln direkt nach dem 
Haag. 
Es war von jeher ein Fehler des deutschen Volkes, sich für fremde 
Interessen zu erhitzen und Vorgänge außerhalb unserer Grenzen mit dem 
Gemüt zu beurteilen, statt ansielediglich den kühlen Maßstab des deutschen 
Interesses zu legen. Während des polnischen Aufstands von 1830 schwärmte 
das deutsche Volk für die „‚edlen‘‘ Polen, denen deutsche Dichter, der ge- 
niale August Platen an der Spitze, gerührte und begeisterte Verse widmeten. 
1848 nahm ein großer Teil der deutschen Nationalversammlung in der 
Frankfurter Paulskirche Partei für die Aspirationen der Polen, die in- 
zwischen auf die Deutschen in Posen und Westpreußen schossen. Die Be- 
geisterung für den Prinzen Alexander Battenberg, Fürsten von Bulgarien, 
war in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre in Deutschland allge- 
mein, obwohl dieser Prinz nie einen Finger für deutsche Interessen 
gerührt hatte und obschon unser Verhältnis zu Rußland und dessen Kaiser 
Alexander III. weit wichtiger war als die unsicheren und schwankenden 
Beziehungen zu dem battenbergischen Bulgarien. Zur Verteidigung der 
Burenschwärmerei wurde vielfach darauf hingewiesen, daß die Buren als 
Holländer eigentlich Deutsche wären. Nun sind die Holländer ein tüchtiges 
und ausgezeichnetes Volk mit einer ruhmvollen Geschichte. Sie haben sich 
aber schon vor Jahrhunderten freiwillig vom Deutschen Reich getrennt 
und sich immer gegen jede nähere wirtschaftliche, politische oder gar mili- 
tärische Verbindung mit Deutschland gesperrt, was ihnen von ihrem Stand- 
punkt aus auch gar nicht übelzunehmen ist. Speziell die Buren hegten für 
uns Deutsche keine besonders lebhaften Sympathien. Deutsche, die sich in 
ihrem Lande niederließen, wurden nicht allzu freundlich aufgenommen,, 
und im Weltkrieg focht die Mehrheit der Buren auf englischer Seite und 
fiel mit den Engländern in unsere Kolonien ein. Aber alle Erwägungen 
ruhiger Vernunft verhinderten nicht, daß die Mehrheit der Deutschen 
infolge des Vorgehens der Engländer gegen die Buren in einen wahren 
Taumel von Begeisterung für die Buren und Entrüstung, Feindschaft und 
Haß gegen England geriet. In einem burenfreundlichen Blatt las ich, daß: 
nie ein Mensch, auch kein Deutscher, auch Wilhelm I. und Bismarck nicht,.
	        
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