Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

„KLEINE VERHÄLTNISSE" 483 
werden, wenn kein Mensch mehr etwas von Monts wissen wird, von dem 
Holstein zu sagen pflegte, er habe nicht nur, wie manche andere, an einem, 
sondern an drei Posten: Budapest, München und Rom, Fiasko gemacht. 
So Holstein, obwohl ihm, solange er der einflußreichste Mann im Aus- 
wärtigen Amt war, Monts beinahe ebenso begeistert gehuldigt hatte wie mir. 
Von München begab ich mich nach Stuttgart. In der guten Zeit vor der 
Novemberrevolution vertrat der preußische Gesandte in Weimar Preußen 
auch bei den Höfen von Meiningen und Koburg-Gotha. Als er einmal dem 
Großherzog Karl Alexander meldete, daß er Weimar auf einige Tage ver- 
lassen werde, um sein Beglaubigungsschreiben in Meiningen zu überreichen, 
erwiderte ihm der Großherzog mit der ihm eigenen Mischung von Würde 
und Freundlichkeit: „Da werden Sie kleine Verhältnisse kennenlernen.“ 
So sprachen die bayrischen Würdenträger nicht zu mir, als ich mich von 
ihnen verabschiedete, um nach Stuttgart zu fahren. Aber zweifellos hatte 
jeder bayrische Minister und höhere Beamte das Gefühl, daß, verglichen mit 
den übrigen süddeutschen Staaten, Bayern eine Großmacht wäre. Diese Auf- 
fassung war im Hinblick auf die bayrische und deutsche Geschichte nicht 
ganz unberechtigt. Ich habe es immer für meine Pflicht gehalten, der 
besonderen Stellung von Bayern im Reich politisch Rechnung zu tragen. 
Ich habe selten oder nie im Bundesrat einen Antrag forciert, der auf den 
Widerspruch, den bewußten und entschiedenen Widerspruch von Bayern 
stieß. Ich habe es mir immer angelegen sein lassen, mir das Vertrauen des 
bayrischen Königshauses, des Prinzregenten Luitpold, des Prinzen Ludwig, 
des Prinzen Rupprecht zu erhalten. Von diesen drei Fürsten war der letzt- 
genannte zweifellos der begabteste. Ein ganz offener, vorurteilsloser und 
scharfsinniger Kopf, dabei ein ausgezeichneter, auch im Weltkrieg hoch- 
bewährter General. Das letztere Lob gebührt auch dem Prinzen Leopold 
von Bayern, dem zweiten Sohn des Prinzregenten Luitpold. Ich bin wäh- 
rend meiner Amtszeit mehrmals mit ihm auf Manövern zusammengetroffen, 
und ich habe mich an seinem echt militärischen Wesen, seinem offenen, 
freimütigen Urteil, seiner ganzen männlichen Persönlichkeit erfreut. Die 
Vorzugsstellung, die ich Bayern stets innerlich eingeräumt habe, ver- 
hinderte nicht, daß ich den anderen deutschen Bundesstaaten gegenüber 
jede denkbare Rücksicht walten ließ und bei voller Wahrung der Reichs- 
einheit und Hochhaltung des Einheitsgedankens ihre berechtigten Eigen- 
tümlichkeiten schonte, ihren besonderen Wünschen, wenn irgend möglich, 
entgegenkam. 
Eins nach außen, schwertgewaltig, 
Um ein hoch Panier geschart! 
Innen reich und vielgestaltig, 
Jeder Stamm nach seiner Art! 
Besuch 
in Stuttgart
	        
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