Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

DIE UMSTURZVORLAGE 31 
Wendung. Man müßte sofort rücksichtslos mit dem Staatsanwalt gegen 
den Kladderadatsch vorgehen. Jetzt hat man die Blamage weg. Grüßen 
Sie, bitte, Phili herzlichst von mir und seien Sie versichert der dankbarsten 
Anhänglichkeit Ihres Prokonsuls in Pannonien Anton Monts.“ 
Am 1. November 1894 hatte mir Monts auf einige Worte, die ich wäh- 
rend eines Besuches bei meinem Schwager Camporeale in Palermo von dort Monts über 
an ihn gerichtet hatte, geschrieben: „Während Sie als Ambassadeur unter Caprivis Sturz 
Palmen wandelten, hat sich in der Heimat ein Kulissenwechsel vollzogen. 
Auf das Risiko, Ihnen Schon-längst-Bekanntes zu melden, teile ich Ihnen 
mit, was ich als authentisch, aber nur als Prolog zum eigentlichen Drama, 
erfuhr: Der preußische Ministerpräsident Botho Eulenburg hatte einen 
Entwurf für ein Umsturzgesetz ausgearbeitet, in dem unter anderem von 
polizeilichen Präventivmaßregeln gegen die Presse die Rede war. Dabei 
bestand er darauf, daß die Schutzmaßregeln im Reiche, nicht in Preußen 
getroffen werden sollten. Eine der seinigen gegenüberstehende Auffassung, 
daß Preußen vorangehen sollte mit Vorlage eines Vereins- und Versamm- 
lungsgesetzes, überwand er während der ostpreußischen Manöver mit Hilfe 
Saxoniae Regis, und der Kaiser erklärte sich im Prinzip damit einverstan- 
den, daß eine energische Vorlage für den Bundesrat von Botho Eulenburg 
ausgearbeitet werde. Diese Vorlage fiel aber so aus, daß S.M. sich über- 
zeugte, ohne Staatsstreich sei dieselbe nicht durchzubringen. Überdem 
meldeten die Königreiche ihr Nichtmitgehen an. Demzufolge hat S.M. 
am 23., wie bekannt, Caprivi besucht und ihm mitgeteilt, daß er Botho 
angewiesen habe, nach Caprivis Programm die Vorlage umzuarbeiten. 
Hier reißt mein Faden ab. Sie wissen wahrscheinlich schon Näheres über 
die nun überstürzend schnelle Katastrophe. Ich selbst reiste am 25. nach 
Braunschweig, wo ich im Nebenamt akkreditiert bin, und war am 26. mit- 
tags in Blankenburg zur Begrüßung von S.M., dessen Sachen schon im 
Extrazug waren und der direkt vom Berliner Bittgottesdienst bei Schu- 
walow für den Zaren nach Blankenburg fahren wollte. In dieser Stunde 
trat der Drehpunkt ein. Um 2 Uhr traf in Blankenburg das Telegramm ein, 
wegen unaufschiebbarer Staatsgeschäfte sei das Kommen S. M. unmöglich. 
Dort fanden sich im Laufe des Nachmittags allerlei Leute ein, unter anderm 
Stolberg, Lehndorff, Waldersee. Alle Welt glaubte, der Zar sei tot, doch 
sagte man es nicht, bis abends das erste Extrablatt aus Berlin anlangte. 
Namentlich Waldersee wollte die Kombination Hohenlohe noch bis näch- 
sten Sonnabend abend nicht glauben und war selbst am dritten Tage noch 
nicht klar. Die Berliner Herren wiesen auf das hohe Alter des Fürsten hin. 
Es standen wohl auch manche von ihnen der ostpreußisch-agrarischen 
Intrige nahe, deren Haupt bekanntlich der Ober-Hof- und Hausmarschall 
August Eulenburg war. Sehr erfreut waren aber alle Nichtpreußen. Ich
	        
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