WILHELM II. UND DER FRANZÖSISCHE GENERAL 525
Muts der Zukunft entgegen. Ich glaube an Bernhards Stern!... Zu B.’s
Geburtstag habe ich nur aus Bescheidenheit nicht telegraphiert, meine
Gedanken waren aber unausgesetzt bei ihm. Ich drücke Ihnen im Geist
mit gehorsamstem Handkuß nochmals gratulierend die kleine Hand. Sie
grüßen wohl gütigst Bernhard und die kleine Schar der Getreuen, zu der
sich zu zählen zur Ehre rechnet Ihr treu ergebenster Diener Monts.“
Die Wendung mit der „Bescheidenheit“ und der „kleinen Hand‘ der
Chefesse wie der „ergebenste Diener“ hätten einem Höfling des XVIIe Si£cle,
des Grand Siecle, Ehre gemacht. Noch mehr ein Postskriptum zum Brief,
in dem es hieß, daß der Semmering, der historisch zu werden gehofft hätte,
jetzt sehr traurig wäre. Diese feine Schmeichelei bezog sich darauf, daß ich
als Reichskanzler nicht mehr wie vordem als Botschafter und als Staats-
sekretär den Hochsommer am Semmering, sondern in dem näher bei Berlin
gelegenen Norderney zubrachte.
Alter Tradition entsprechend, wurde der Geburtstag des Kaisers von
Rußland am preußischen Hofe durch ein Festmabl gefeiert, zu dem der
russische Botschafter eine Einladung erbielt. Am 18. Mai 1901 fand dies
Diner in Metz statt, wo der Kaiser gerade weilte. Er hielt eine kurze und an-
gemessene Rede. Daß der russische Botschafter Graf Osten-Sacken an-
standslos einer Einladung nach Metz Folge geleistet hatte, machte in Paris
starken Eindruck. Die französische Nationalistenpresse sah darin einen
Beweis, daß die russische Regierung nicht mehr daran denke, die französi-
schen Revanchebestrebungen zu unterstützen. Statt solche Eindrücke sich
befestigen und ausreifen zu lassen, unternahm Wilhelm II. immer wieder
fruchtlose, wenn nicht schädliche Versuche, sich der spröden Marianne zu
nähern. Am 29. Mai 1901 benützte er die Anwesenheit des französischen
Generals Bonnal, um ihn zu einem Frühstück im Kasino des 2. Garde-
regiments zu Fuß einladen zu lassen, an dem er selbst teilnahm. Nachdem
der Kaiser eine soeben erhaltene, für ihn selbst wie für den Grafen Walder-
see schmeichelhafte Depesche des Kaisers Nikolaus verlesen hatte, sprach
er von der „ganz besonderen Ehre“, die der Brigade dadurch zuteil ge-
worden wäre, daß sie zwei Offiziere der französischen Armee in ihrer Mitte
sähe. In China hätten zum ersten Male deutsche und französische Truppen
Schulter an Schulter gegen einen gemeinsamen Feind in „guter Waffen-
brüderschaft und treuer Kameradschaft‘ gekämpft. „Die beiden Herren
Offiziere und ihre gesamte Armee hurra! hurra! hurra!“ In Frankreich
wurde dieser Toast von den einen als Symptom deutscher Schwäche, von
anderen für eine Frankreich gelegte Falle angesehen, von wenigen verstan-
Kaiser-Diner
in Metz
den, von niemandem gewürdigt. Zwischen dem Kaiser und dem General
Bonnal entwickelte sich seitdem eine Korrespondenz, in welcher der Kaiser
nichts Ungehöriges sagte, die aber mit dazu beitrug, ihn in seiner Neigung