Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

32 DER DONNERGOTT IM SACHSENWALD 
glaube, wir können mit dem Ergebnis außerordentlich zufrieden sein. Wir 
müssen danken: 1. Hohenlohe selbst und seinem Patriotismus und 2. dem 
weiten Blick Holsteins, der Hohenlohe seinerzeit hielt und ohne den Hohen- 
lohe kaum die Sache übernommen hätte. Erfüllt nun Köller seine Pflichten, 
resp. ist er seiner Aufgabe gewachsen, so kann Hohenlohe auf den drei 
Beinen Holstein (Diplomatie und feinste Wäsche im Innern), Marschall 
(Parlament, Handelsscherze und grobe Hausarbeit), Köller (Administra- 
tion und Vertrauensmann in dem allerdings reformbedürftigen preußischen 
Ministerium) wohl stehen. Sein Körper und Geist ist ja noch rüstig, so daß 
wir drei Jahre wohl noch auf ihn rechnen können. Drei Jahre aber sind eine 
lange Zeit. Dann müssen vielleicht Sie vor die Bresche treten. So sehr ich 
Ihnen alles andere gönne und wünsche, man wird sich aber mehr und mehr 
wohl supremo loco überzeugen, daß am besten für den höchsten Posten ein 
Diplomat paßt, und wen hätten wirda wohl ? Doch kann ja auch das Regime 
Hohenlohe länger dauern, er muß nur haushälterisch mit seinen Kräften 
und dem Einsetzen seiner Person sein. An Feinden, so begeisterte Anhän- 
ger er nun speziell in unserem Fach auch finden wird, so sehr Marschall und 
Holstein gewiß jeden Nerv anspannen werden, wird es dem Armen nicht 
fehlen. Die Ostpreußen, Waldersee, die Maison militaire, vielleicht bald die 
ganze Generalität, die wie die Hammel eventuell einem Leittier folgen 
könnte, und last not least der vielgewandte Ulysses Miquel. Gäbe Gott nur, 
daß unsere Konservativen die Zeichen der Zeit verstehen. Ohne sie kann 
man keine Majorität herstellen, denn mit Zentrum und Freisinn wirt- 
schaften, hieße sich in die Sackgasse Caprivischer Staatskunst hinein- 
verirren. So frivol es klingt, irgendein sozialistischer oder anarchistischer 
Gewaltstreich würde vielleicht ein Zusammenschließen aller gemäßigten, 
staatserhaltenden Leute inklusive eines Teils von Freisinn und Zentrum 
ermöglichen. Und dann il faut battre le fer pendant qu’il est chaud! Dann 
hieße es, das Wahlgesetz ‚amendieren‘, nicht ändern, dazu fände sich nie 
die Zweidrittelmehrheit. Doch das wissen Sie bei Ihrer höheren Einsicht 
und größeren Kenntnis der Personen alles viel besser als ich. Lassen Sie 
uns aber einstweilen der Sonne uns erfreuen, die unstreitig für das Vaterland 
aus den Wolken bricht. Die ganze öffentliche Meinung ist so sehr für den 
Fürsten Hohenlohe, daß selbst der Donnergott im Sachsenwalde Friedens- 
melodien in den ‚Hamburger Nachrichten‘ anstimmt. Was nun speziell 
unsere Karriere anlangt, so scheint mir jetzt gebotener als je, zumal nach- 
dem Marschall den von ihm so sehnsüchtig erhofften Staatsministertitel 
erhalten hat, daß endlich etwas für Holstein geschieht. Man sammelt jetzt 
die Früchte seiner weisen Leitung der auswärtigen Dinge (Rußland, Eng- 
land pp.). Einige naive Leute schreiben dies auf Caprivis Konto, und der 
eigentliche Leiter steht unbemerkt und ungeehrt abseits. Ob nicht Phili
	        
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