LAMBSDORFF ERHÄLT SCHWARZEN ADLER NICHT 541
recht wenig erfreut. „Das eigentliche Wesen des Ehrgeizes ist nur der
Schatten eines Traumes“, sagt der Kammerherr von Güldenstern zum
Dänenprinzen Hamlet. Ich suchte Waldersee im Laufe des Tages auf, um
die ostasiatischen Verhältnisse mit ihm zu besprechen, die er verständig
und klug schilderte. Er ist bald nachher einem tückischen Darmleiden er-
legen, das der schon siebzigjährige Mann sich im chinesischen Feldzuge
gebolt hatte. Der Kaiser las das Telegramm mit der Todesnachricht in
meinem Beisein mit der gleichgültigsten Miene von der Welt und hat
diesem Toten, den er Ende der achtziger Jahre, während des Konflikts
Waldersee-Bismarck dem großen Kanzler gegenüber mit scharfer Poin-
tierung seinen bedeutendsten und dabei treuesten Freund genannt hatte,
keine Träne nachgeweint. Bei manchen Fehlern war Waldersee als Soldat
eine glänzende Erscheinung. Er hat auch in China nicht nur die Harmonie
zwischen den Mächten aufrechterhalten, sondern an seinem Teil beigetragen
zu der großen und aussichtsreichen wirtschaftlichen und politischen Stel-
lung, die wir bis 1914 in Ostasien einnahmen.
Der Entrevue von Hela sah Wilhelm II. mit den gespanntesten Erwar-
tungen und selbst bei ihm ungewöhnlicher Ungeduld entgegen. Ich sollte
Seine Majestät begleiten, da Kaiser Nikolaus den Deutschen Kaiser hatte
wissen lassen, daß er den russischen Minister des Äußern, den Grafen
Lambsdorff, mitbringen würde. Alsich mich in Kiel an Bord der „Hohen-
zollern‘‘ begab, empfing mich der Gesandte von Tschirschky, der als Ver-
treter des Auswärtigen Amtes bei Seiner Majestät weilte, um mir mit allen
äußeren Zeichen der Erregung und Betrübnis zu melden, der Kaiser weigere
sich, Lambsdorff den Schwarzen Adlerorden zu verleihen. Tschirschky
hatte nach seiner Versicherung alle Bitten und Vorstellungen erschöpft,
hatte im ernstesten Ton darauf hingewiesen, daß es ein politischer Fehler
sein würde, den uns bisher geneigten russischen Minister zu kränken. Es
wäre ihm aber leider unmöglich gewesen, den Eigensinn Seiner Majestät
zu brechen. In diesem Augenblick näherte sich uns der Kaiser. Tschirschky
entfernte sich, und ich brachte die Rede sofort auf die Ordensfrage. Ich
erinnerte an das Wort von Napoleon, daß Orden in der Politik dieselbe
Rolle spielten wie bei Kindern ein Spielzeug. „„Les hommes sont comme les
enfants, il leur faut des hochets.‘“ Die Orden wären ein Mittel, die Menschen
zu gewinnen. In diesem Falle liege die Sache nun so, daß der russische
Minister des Äußern traditionell stets den Schwarzen Adlerorden erhalten
hätte. Wenn wir Lambsdorff gegenüber von dieser Gewohnheit abwichen,
würde der uns bis jetzt wohlgesinnte, aber empfindliche Mann das nicht
verzeihen. Der Zar wäre seinen Ratgebern gegenüber bestimmbar und
nachgiebig, wir hätten wirklich keinen Grund, Lambsdorff vor den Kopf
zu stoßen. Der Kaiser entgegnete mit einer wenigstens mir gegenüber sehr
Brüskierung
Lambsdorf}s