Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

DER SEEKRANKE LAMBSDORFF 543 
Kuno Moltke gelegt, als sie bei einer Nordlandreise, die zu einer Begegnung 
zwischen unserem Kaiser und dem damaligen italienischen Kronprinzen- 
paar führte, allerlei alberne Witze über letzteres machten, über den 
„kleinen“ Prinzen und die Prinzessin aus den „wilden“ Bergen der 
Crnagora. 
Bei der Entrevue von Hela suchte sich Max Fürstenberg als Objekt 
seiner mokanten Bemerkungen Lambsdorff aus. Der russische Minister 
vertrug die See nicht und sah sehr blaß aus, als er bei ziemlich starkem 
Seegang in einem schwankenden Boot zur „Hohenzollern“ fuhr. Er war 
ungewandt und schwächlich, und die Art und Weise, wie er vom Boot auf 
das Fallreep gelangte, war nicht gerade ein Meisterstück der Turnerei. Er 
trug auch nicht das kleidsame Jacht-Kostüm, das alle Seine Majestät 
begleitenden Herren angelegt hatten, sondern er erschien in der häßlichen 
russischen Beamtenuniform, die ihm eine unerwünschte Ähnlichkeit mit 
einem älteren Zollbeamten gab, in schr hoher Mütze mit großem Schirm 
und großer Kokarde. Da er von kleiner Statur war, so trug er Schuhe mit 
sehr hohen Absätzen, ein Kunstgriff, dessen sich übrigens auch le Grand Roi 
Louis XIV bedient haben soll, um seine Figur zu verlängern. Der Kaiser, 
von Fürstenberg auf die hohen Hacken, die Riesenmütze und die bleiche 
Gesichtsfarbe des Grafen Lambsdorff aufmerksam gemacht, erlaubte sich 
diesem gegenüber einige wenig glückliche Scherze, die den Minister in 
sichtliche Verlegenheit setzten. Als ich mit Bedauern diese Vorgänge wahr- 
genommen hatte, hielt ich es um so mehr für meine Pflicht, noch einmal und 
energisch wegen der Verleihung des Schwarzen Adlerordens an Lambsdorff 
zu insistieren. Ich klopfte unangemeldet an die Tür der Kabine Seiner 
Majestät und trat bei ihm ein, während er sich zum Diner umzog. Er 
sperrte sich noch immer, meinte aber schließlich, da ich es durchaus wolle, 
müsse er nachgeben. 
Das Diner nahm den besten Verlauf, der Zar zog mich nach Aufhebung 
der Tafel in eine längere Unterhaltung, in der er mir spontan sagte: Rußland 
und Deutschland würden, wenn sie nicht friedlich und freundschaftlich, en 
paix et en amitie, miteinander auskämen, sich ins eigene Fleisch schneiden. 
Den Vorteil von einer Brouille zwischen Preußen-Deutschland und Rußland 
würden die Revolution und die Polen haben, den Nachteil aber die beiden 
Reiche und ihre Dynastien. Er überreichte mir dann den Andreasorden, 
wie er sich ausdrückte: „Comme preuve de mon amitie pour vous et de ma 
confiance en vous.“‘ Während der Zar sich mit mir unterhielt, hatte Kaiser 
Wilhelm die preußischen Dekorationen selbst an die russische Umgebung 
verteilt. Ich bemerkte, daß Lambsdorff, der bis dahin trotz der Witzeleien 
des Kaisers über seine mangelhaften nautischen Fähigkeiten eine heitere 
Miene zur Schau trug, einen so verdrießlichen, ja giftigen Ausdruck 
Der Zar 
und Büloıo
	        
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