BONBONS 545
den hohen Orden vom Schwarzen Adler mit Brillanten und das spanische
Goldene Vlies, den russischen Andreasorden mit Brillanten und den öster-
reichischen Stefansorden mit Brillanten, den italienischen Orden von der
Heiligen Verkündigung, den Annunziatenorden und den sehr edlen portu-
giesischen Orden vom Turm und Schwert, den dänischen Elefanten- und
den schwedischen Seraphinenorden, den bayrischen Hubertus und die
sächsische Raute, türkische und japanische, chinesische und siamesische
Orden, alle, alle. Nachdem ich die allererste Jugend hinter mir hatte, ver-
langte ich so wenig nach Orden, Ordenssternen und -ketten, wie es den
Konditor nach Bonbons und Konfitüren gelüstet. Ich habe, wenn nicht
Courtoisie gebot, zu Ehren eines ausländischen Gastes einen fremden Orden
anzulegen, nie einen anderen Stern getragen als den des Schwarzen Adler-
ordens. Aber als alter und erfahrener Mann, der die Welt kennt und die
Menschen, ihre Schwächen und Fehler und Triebe, sage ich: Das Verbot der
Orden und Uniformen durch die Weimarer Verfassung ist ein weiterer
Beweis dafür, daß es dem Herrn Dr. Hugo Preuß, dem Vater unserer republi-
kanischen Staatsverfassung, an Menschenkenntnis wie an Weltläufigkeit
fehlte. Er gab damit von vornherein die Möglichkeit aus der Hand, maß-
gebende Ausländer zu erfreuen und sie zu gewinnen. Dieser triste deutsche
Solon ist auch schuld daran, daß seit dem Novemberumsturz zwischen
seinen uniformierten und dekorierten Kollegen der deutsche Vertreter im
Frack und ohne Orden dasteht wie das Aschenbrödel unter seinen festlich
gekleideten Gespielinnen. Die französische Republik hat sich wohl gehütet,
eine solche Dummheit zu begehen. Sie hat weder Uniformen noch Orden
abgeschafft. Die Aussicht auf das rote Bändchen und gar auf die Rosette
der Ehrenlegion belebt im Inland Patriotismus und Ehrgeiz des Durch-
schnittsfranzosen. Gegenüber dem Auslande war und ist die Verleihung der
Legion d’honneur für die französische Propaganda ein bewährtesMittel,inder
Welt Sympathien für Frankreich zu erwecken und französische Gesinnung
zu belohnen. Hiermit schließe ich diese Parenthese, zu der ich durch
die nachteiligen politischen Folgen veranlaßt wurde, die bei der Monarchen-
zusammenkunft von Hela die ungeschickte Behandlung des russischen
Ministers des Äußern in einer Ordensangelegenheit hatte. Ich betone noch
einmal, daß ich die Abneigung verstehe, mit der ein jedem Deutschen teurer
Dichter auf die Fürstenrät’ und Hofmarschälle blickt, die mit kühlem
Stern auf kalter Brust nicht an Geisterstimmen glauben. Aber der Staats-
mann muß auch mit den Schwächen und Kleinlichkeiten der Menschen
rechnen, er soll auch sie für das Beste des Landes verwerten. „Il faut faire
flöeche de tout bois‘, sagte einmal Fürst Bismarck zu Kaiser Friedrich,
dem edlen Idealisten, der darüber klagte, daß die Politik manchmal auch
die weniger schönen Triebe der Menschen für ihre Zwecke benutzt.
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