Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Chamberlains 
Speech 
in Edinburg 
XXXV. KAPITEL 
Rede Chamberlains in Edinburg (25. X. 1901) - Provokation der deutschen Armee 
Unterredung mit dem englischen Botschafter, Weisungen an die Deutsche Botschaft 
in London » Eintreten für die Ehre unserer Armee im Reichstag » Geburtstag des 
Kaisers (27. I. 1902) - Unterredung Bülows mit dem Prinzen von Wales, späteren König 
Georg V. « Zwischenfall in Venezuela - Präsident Castro »- Rudyard Kipling » Die Ost- 
markenpolitik, Reden im Reichstag und im Preußischen Landtag über das Ostmarken- 
problem » Rede Wilhelms II. in der Marienburg 
m 25. Oktober 1901 hatte der Kolonialminister Chamberlain, auf 
dessen sprunghafte Unberechenbarkeit Graf Hatzfeldt wie Graf Metter- 
nich in ihrer Berichterstattung oft hinwiesen, in einerin Edinburg gehaltenen 
öffentlichen Rede geäußert: Selbst wenn England die strengsten Maßregeln 
gegen die noch in Südafrika Widerstand leistenden Buren ergreifen sollte, 
würden sich solche Maßnahmen nie der Grausamkeit und Barbarei nähern, 
die andere Nationen in Polen, im Kaukasus, in Bosnien, in Tongking und im 
Kriege von 1870 begangen hätten. Da ich voraussah, daß diese Provokation 
in Deutschland starke Erregung hervorrufen würde, bat ich sogleich in 
einer vertraulichen Unterredung den uns politisch wohlgesinnten und 
persönlich mir seit einem Vierteljahrhundert befreundeten englischen Bot- 
schafter Sir Frank Lascelles, unter der Hand und in einer Weise, die das 
Selbstgefühl des englischen Ministers in keiner Weise verletzen könnte, 
darauf hinzuwirken, daß letzterer den Eindruck, den seine Worte nach Lage 
der Dinge in Deutschland machen mußten, in irgendeiner Form korrigiere. 
Er brauche ja nur zu erklären, daß er nicht beabsichtigt habe, das deutsche 
Heer oder das deutsche Volk zu beleidigen. Schon eine sympathische 
Äußerung über Tapferkeit und Manneszucht des deutschen Heeres würde 
günstig wirken. Allenfalls könne auch ein anderes Mitglied des englischen 
Kabinetts eine solche Erklärung abgeben, oder Chamberlain möge durch 
einen zur Verlesung bestimmten Brief an den Grafen Metternich mir die 
Möglichkeit geben, bei der vorauszusehenden Debatte im Reichstag An- 
griffen gegen ihn die Spitze abzubrechen. Ich machte den englischen Bot- 
schafter darauf aufmerksam, daß ich andernfalls zu meinem aufrichtigen 
Bedauern genötigt sein würde, meinerseits öffentlich für den guten 
Ruf und die Ehre des deutschen Volks und seines Heeres einzutreten. Die
	        
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