KENNT S.M. SO WENIG SEINE LEUTE? 33
das dem Kaiser klarmachen könnte? Das wird nur sehr schwer sein.
S.M. glaubt, er habe allein und selbst die Politik so geschoben. Wird nun
unter dem neuen Zaren Werder Botschafter in St. Petersburg bleiben?
Der Mann ist ja neuen Verhältnissen nicht mehr gewachsen. Ich habe das
feste Zutrauen zum neuen Kanzler, daß, ebenso wie er die Statthalter-
schaft Botho Eulenburg in Straßburg zu eludieren wußte, er auch die
Militärs abhalten wird, in St. Petersburg einzubrechen. Etwas anderes
scheint es mir, ob es nicht nötig sein wird, dem geschlagenen Feind eine
goldene Brücke zu bauen und dem gefährlichsten der Ostpreußen, dem
Hausnarren August Eulenburg, zum längst erstrebten Botschafter zu ver-
helfen. Sonst wäre wohl Alvensleben der Mann, wenn auch recht schwäch-
licher Natur. Wie ja auch jeder etwas an sich denkt, obgleich ich kaum
für mich an Brüssel (was mir sehr, sehr* recht wäre) zu denken wage, so
könnte ich dann wohl auch auf ein Fort aus meiner hiesigen, wirklich
unwürdigen Stellung hoffen durch irgendwelche Verschiebung. Was sagen
Sie zu Deines Obergouverneur ? Ich rede nicht aus persönlicher Animosität,
aber so einem beschränkten, einseitigen Subjekt die Erziehung des Kron-
prinzen anzuvertrauen, ist starker Tabak. Kennt 5.M. so wenig seine
Leute? Dazu noch ein verbissener Gegner von Holstein mehr, immer zur
Hand und immer um den Kaiser! Sed haec hactenus. Freuen Sie sich auch
weiterhin noch, wer weiß auf wie lange, des schönen römischen Winters.
Legen Sie mich Ihrer Frau zu Füßen und gedenken Sie an einem gelegent-
lich trüben Tage Ihres in den nordischen Nebeln verhüllten Anton Monts.“
Die abfälligen Bemerkungen dieses Briefes über Botho und August
Eulenburg, zwei ungewöhnlich kluge und dabei charaktervolle Männer,
waren ungerecht. Gleich schief war die gehässige Beurteilung des Generals
Deines. Mein alter Kriegskamerad Adolf Deines war ein Idealist und für
das diplomatische Gewerbe zu sehr Idealist. Aber für den künftigen König
und Kaiser und dessen Brüder war kein besserer Erzieher zu finden als der
tüchtige, aufrechte und vornehm denkende Adolf Deines. Weniger vor-
nehm denkend hatte sich Monts nach dem Sturz des Fürsten Bismarck
sofort von ihm abgewandt, den er früher nur „unseren Heros“ zu nennen
pflegte, und Holstein in die Arme geworfen. Natürlich hatte er sich gleich-
zeitig von Herbert Bismarck losgelöst, den er vorher gern mit Jung Sieg-
fried verglich.
Am 26. Januar 1895 erhielt ich von Monts die nachstehenden Zeilen:
„Ihren politischen Exkurs in Ihrem letzten gütigen Brief unterschreibe
ich ohne Rückhalt. Ruhe und Stetigkeit vor allem. Allmählich wird der
preußischen Mühle dann schon von selbst das Wasser der nationalen
* Unterstreichungen in den an mich gerichteten Briefen sind immer vom Briefschreiber
vorgenommen worden.
3 Bülow TI
Botho und
August
Eulenburg