BOTSCHAFTER METTERNICH 559
gelegen hätten. Aber auch dazu war guter Grund vorhanden, und das Re-
sultat ist die vorherrschende Stimmung. Ich betrachte sie selber als eine
Ansteckung durch Deutschland. Wir sind in der Genesung begriffen,
während hier erst der Höhepunkt des Fiebers und damit der Raserei er-
reicht ist.“ Obne die geniale Ader seines Vorgängers Paul Hatzfeldt zu
besitzen, zeichnete sich Paul Metternich durch gesunden Menschenverstand
und unerschütterliche Rube aus, sicherlich diejenige Eigenschaft, die in
bewegten Zeitläuften einem Diplomaten vor allem nottut.
Mein Geburtstag wurde mir am 3. Mai 1902 dadurch verschönert, daß
der gerade in Berlin weilende Generalfeldmarschall von Lo& mir die Ehre
erwies, sich bei uns zu Tisch anzusagen. In der Uniform unseres alten Regi-
ments hielt er eine Ansprache an mich, deren Niederschrift er mir einige
Tage später übersandte. Ich gebe seine Rede wieder.
„Meine hochverehrte Gönnerin! Ihre Einladung, heute im Kreise der
vertrauten Freunde an dieser Tafel Platz zu nehmen, hat mir die denkbar
größte Freude bereitet. Sie haben den Wert derselben durch die Genehmi-
gung meiner Bitte verdoppelt, der Verehrung und Bewunderung Ihrer
Gäste für Ihren Gemahl in Worten Ausdruck geben zu dürfen. Ich leugne
nicht, daß ich meine Bitte zaghaft ausgesprochen habe. Diesmal bin ich
nicht sicher, der begeisterten allseitigen Empfindung entsprechend die
würdige Form zu finden. Namentlich nicht vor Zuhörern, welche gewohnt
sind, den Reichskanzler nicht allein als den überlegenen Staatsmann,
sondern auch als den Meister der Rede zu bewundern. Aber nachdem ich
das Wort ergriffen, ist die Zaghaftigkeit überwunden. Mich ermutigt das
Bewußtsein, in dieser Versammlung des Reichskanzlers ältester Freund zu
sein und als solcher seiner Laufbahn von Anfang an mit hellem Blicke und
warmem Herzen nahegestanden zu haben. So will ich denn reden, wie es
mir ums Herz ist, und dann weiß ich, daß Sie mit mir zufrieden sein werden.
Vor kurzem wurde ich in Rom gefragt, welche die schönste Erinnerung
meines langen und glücklichen Berufslebens sei. Ich antwortete: in einem
siegreichen Kriege ein Regiment kommandiert zu haben, welches bezüglich
der aus ihm hervorgegangenen ausgezeichneten Männer an der Spitze der
Armee steht. Daß mir bei der Antwort in dieser nicht geringen Zahl an
erster Stelle der Reichskanzl 1 ‚bedarf wohl keiner Erwähnung.
Wenn ich von seiner frühesten Jugend seiner Entwicklung aufmerksam
folgen konnte, so verdanke ich diese Freude dem Vertrauen seines mir nahe
befreundeten Vaters, des Staatssekretärs von Bülow. Beim Ausbruch des
Französischen Krieges wählte derselbe das Königsl Regiment, um
seinen hoffnungsvollen ältesten Sohn bei demselben eintreten zu u lassen. Es
war in den ersten Novembertagen 1870, unmittelbar nach der Kapitulation
von Metz und vor dem Beginne des Nord-Feldzuges, als ich ein von Bonn
Geburtstags-
rede des
Generals Loe'