DIE AMERIKANER BEI DER KIELER WOCHE 573
Antipathie, die namentlich in konservativen deutschen Kreisen gegen
Amerika herrschte, war töricht. Der Ärger, den während der Kieler Woche
unsere Hofgesellschaft über angebliche Bevorzugung von Mr. Vanderbilt,
Mr. Armour, Mr. Pierpont Morgan, Mr. Carnegie empfand, war albern ,
und die Preßhetze gegen diese amerikanischen Herren, wenn sie mit
kaiserlicher Erlaubnis und auf kaiserliche Aufforderung die Potsdamer
Schlösser, die Marienburg oder Kadinen besuchten, philiströs und
kleinlich.
Am 15. Februar 1902 schiffte sich Prinz Heinrich an Bord des Lloyd-
dampfers „Kronprinz Wilhelm“ in Bremerhaven nach New York ein. Vor
seiner Abreise hatte ich ein längeres Schreiben an ihn gerichtet, in dem ich
unter anderem ausführte: Von dem Prinzen würde in Amerika keinerlei
politische Tat erwartet. Er solle von dort weder einen politischen Vertrag
noch ein handelspolitisches Abkommen noch irgendwelche politische,
wirtschaftliche oder gar territoriale Konzessionen mitbringen. Der Zweck
seiner Reise sei lediglich, die Amerikaner zu erfreuen und zu gewinnen,
sie von der Sympathie des Kaisers und des deutschen Volks für das groß
und mächtig aufstrebende amerikanische Volk zu überzeugen wie von
der Nützlichkeit guter Beziehungen zwischen dem deutschen und dem
amerikanischen Volk. Deutschland und Amerika wären durch keinerlei
politische Differenzen getrennt, wohl aber verbunden durch zahlreiche und
schwerwiegende Interessen, durch alte Traditionen, die zurückreichten bis
zu den Tagen des großen Friedrich und des großen Washington. Sie wären
auch durch Blutsverwandtschaft verbunden. Die Burenfrage möge der
Prinz aus eigener Initiative gar nicht berühren. Würde sie von anderer
Seite angeschnitten, so möge er sich tunlichst ausschweigen. Eine zu leb-
hafte Teilnahme für die Buren würde nicht in Einklang stehen mit der von
uns gegenüber dem Südafrikanischen Krieg eingenommenen neutralen,
loyalen und in diesem Rahmen für England freundlichen Haltung. Anderer-
seits hätten wir auch keine Veranlassung, in Amerika die Geschäfte der
Engländer zu besorgen. Chacun pour soi et Dieu pour tout le monde. Die
Verhältnisse in Süd- und Zentralamerika möge der Prinz aus eigener
Initiative nicht besprechen und selbstverständlich keinerlei Absichten
Deutschlands auf jene Gegenden zugeben oder gar durchblicken lassen.
Sollten die Amerikaner Besorgnisse hinsichtlich deutscher Eroberungs-
gedanken bezüglich Mittel- und Südamerikas an den Tag legen, so könne
der Prinz solche Befürchtungen unter Hinweis auf die Friedlichkeit unserer
Politik und die vielen Aufgaben, die wir sonst in der Welt zu lösen hätten,
mit gutem Gewissen als absurde Hirngespinste ablehnen. Das geschehe
noch besser in der Form ironischer Zurückweisung als durch pomphafte
Erklärungen. Deutschland wolle auf der ganzen westlichen Hemisphäre
Prinz
Heinrich reist
nach Amerika