Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

576 REISEPOLITIK 
Frieden und gute Freundschaft mit den Vereinigten Staaten. Auf die 
Philippinenfrage und die Vorgänge in Manila im Sommer 1898 würde am 
besten gar nicht zurückgekommen. C’est un incident clos. Ich empfahl dem 
Prinzen, wenn er nicht umhinkönne, in Amerika, wo viel öffentlich geredet 
würde, öffentlich das Wort zu ergreifen, seine Ansprache vorher schriftlich 
zu fixieren, um vor Verdrehung und Ausbeutung seiner Worte sicher zu 
sein. Der Amerikaner sei, und mit Recht, stolz auf die rasche und gewaltige 
Entwicklung seines Landes, die kaum ihresgleichen in der Weltgeschichte 
habe. Er sei ehrgeizig, ruhmbegierig, er wünsche, sein Land gelobt zu 
hören. Jede Kritik amerikanischer Zustände aus fremdem Munde verletze 
den Amerikaner. Aber die Ehre des Besuches eines königlichen Prinzen 
werde in diesem Lande, das in Flutenfrische glänze, noch mehr gewürdigt 
alsin Europa, und gern werde der Amerikaner den Prinzen von Deutschland, 
von unserem Kaiser, unserem Heer, unserer Wissenschaft und Kunst erzählen 
hören. In dem Gesandten von Holleben fände der Prinz einen durch lang- 
jährigen Aufenthalt mit amerikanischen Gewohnheiten, Stimmungen und 
Verhältnissen gut vertrauten, gewissenhaften und ehrlichen Mann. Ich schloß 
mitdenWorten: „Seit vielen Jahren war keine Reise eines königlichen Prinzen 
von solcher Bedeutung für das Vaterland wie diese Ihre Fahrt nach der 
großen Republik, die Columbus aus dem Ozean hervorzog.““ Gleichzeitig 
gab ich für alle Fälle dem Prinzen Heinrich ein Promemoria über die diplo- 
matische Vorgeschichte des Spanisch-Amerikanischen Krieges mit, um 
nötigenfalls perfiden Verdächtigungen der englischen Presse entgegen- 
treten zu können, die Deutschland beschuldigte, sich vier Jahre. vorher 
unfreundlich zu Amerika gestellt zu haben. 
Die Reise des Prinzen verlief ohne jeden Anstoß. Die aufrichtige, natür- 
liche, gerade und ehrliche Art des Prinzen gefiel den Amerikanern. Wo es 
nötig war, ergriff er das Wort, er sprach frei von der Leber weg, aber ohne 
je zu entgleisen. Besonderen Beifall fand die humoristische und dabei doch 
taktvolle Ansprache, die er bei einem ihm von der amerikanischen Presse 
gegebenen Diner hielt. Daß er Englisch wie ein Engländer sprach, kam dem 
Prinzen natürlich zustatten. Prinz Heinrich machte seine Sache vortreff- 
lich, und es war geschmacklos, wenn der sozialdemokratische Abgeordnete 
Dr. Gradnauer im Reichstag ‚‚diese Art von Reisepolitik“ heftig angriff. 
Wollte Gott, daß wir in den traurigen und bedrängten Zeiten, die aufunseren 
Niederbruch vom November 1918 folgten, in Zeiten, wo wir so sehr der 
freundlichen Gesinnung des amerikanischen Volkes bedurften, einen Prin- 
zen Heinrich hätten nach Amerika schicken können, um dort für uns zu 
wirken und zu werben. Das dürfte der inzwischen zum sächsischen Ge- 
sandten in Berlin avancierte Herr Gradnauer jetzt wohl selbst einsehen. 
Im fröhlichen Besitz dieser Sinekure wird er wohl auch nicht mehr mit
	        
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