ADMIRAL OF TIIE ATLANTIC 58l
seines Gefolges über England gegenüber Russen, Franzosen oder Ameri-
kanern machten. Es war bei dieser Begegnung in Reval, wo sich Wil-
helm II. den Scherz machte, Arm in Arm mit dem Zaren auf mich zuzu-
kommen und mir schon von weitem laut zuzurufen: „Wissen Sie, wie wir
beschlossen haben uns künftig zu nennen? Kaiser Nikolaus heißt fortan
the Admiral of the Pacific, und ich nenne mich künftig the Admiral of the
Atlantic.“ Kaiser Nikolaus machte zu diesem Witz ein verlegenes Gesicht.
Um ihm zu Hilfe zu kommen, bemerkte ich, es wundere mich nicht, daß
ein Monarch, der trotz großer Macht die Wohltaten des Friedens so richtig
zu schätzen wisse wie der Zar, sich für dieses Prädikat entschieden habe.
Lebhaft stimmte mir der Herrscher aller Reußen zu. Obschon ich, sobald
wir allein waren, Kaiser Wilhelm bat, des grausamen Wortspiels nun genug
sein zu lassen, kam Seine Majestät auch bei Tisch mit dem Eigensinn eines
Enfant terrible mehrfach darauf zurück, zum sichtlichen Unbehagen des
Zaren. Endlich schlug die Trennungsstunde. Die beiden Kaiser umarmten
und küßten sich, die russische Jacht nahm den Kurs gegen Kronstadt, als
Kaiser Wilhelm dem russischen Kaiser durch Flaggensignale den Abschieds-
gruß nachsandte: „The Admiral of the Atlantic bids farewell to the Admi-
ral of the Pacific.“ Nach einigen Minuten traf die kühle Antwort ein:
„Good-bye!“ Mit großem Takt ließ der Kommandant der „Hohenzollern“
sofort Offizieren und Mannschaften verbieten, von diesen Flaggensignalen
etwas verlauten zu lassen. Die Russen sind offenbar weniger diskret ge-
wesen. Einige Wochen später stand die ganze Geschichte in einer großen
englischen Zeitung und bot der englischen und französischen Presse
Gelegenheit, dem Kaiser, der sich in Wirklichkeit nie mit napoleonischen
Plänen getragen hat, die Absicht anzudichten, er wolle Old-England, who
rules the waves, den Trident of Neptune entreißen, wobei natürlich auch
die Kölner Dreizack-Rede vom Juni 1897 wieder hervorgezogen wurde.
In den Unterredungen zwischen den beiden Kaisern hatte die Möglich-
keit von Reibungen zwischen Rußland und Japan eine ziemliche Rolle
gespielt. Kaiser Nikolaus war überzeugt, daß der kleine „Jap“, wenn das
große Rußland ihm fest gegenübertrete, es nicht auf eine Kraftprobe an-
kommen lassen würde. Ernstlich präokkupiert war der Zar durch beständige
Attentate der russischen Revolutionäre. Im April war der Minister des
Innern, Szipjagin, von einem relegierten Studenten ermordet worden. Der
Mörder wurde sofort gehängt. Aber nicht lange nachher wurde der Gou-
verneur von Wilna, General Wahl, durch Revolverschüsse verwundet.
Szipjagin war ein vornehmer, eleganter, eher milder Aristokrat, Wahl einer
jener scharf zufassenden Balten, die Kaiser Nikolaus I. mit Vorliebe ver-
wandt hatte, weil er sie für härter und zuverlässiger hielt als den National-
russen mit seiner Schirokaja natura, seiner breiten, weicheren Art. Während