Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Monts über 
Berlin 1895 
36 DAS SCHWIERIGE JUSTE-MILIEU 
A henin Zisleithanienscl ftimmermehr In Ungarnhaben 
wir eigentlich keine Freunde, innerlich haßt der Magyare den Deutschen 
kaum minder gründlich wie den Moskowiter. Und was wird aus Bulgarien ? 
Augenscheinlich will Lobanow den elenden Koburger einstweilen in sus- 
penso lassen, da er einen servileren Satrapen kaum finden dürfte. Auf 
die Dauer wird die alte Leier doch wieder von vorn gespielt werden, und die 
beiden Mühlsteine, Selbstgefühl der Bulgaren und Anmaßung der Russen, 
werden Ferdinand ebenso wie Alexander zermahlen. So sieht man überall — 
ich rede gar nicht von Ägypten, Japan usw. — Keime zu Verwicklungen. 
Die etwas übergroße von uns zur Schau getragene Friedensliebe dürfte 
uns in der harten Wirklichkeit der Dinge auch nicht frommen, denn wir 
sind noch lange nicht saturiert, werden auch, beständig mit der Friedens- 
schalmei unterm Arme, schließlich zum Gespött ehrgeiziger Nachbarn. 
Das Juste-Milieu hier zu finden ist aber sehr schwer. Denn vor allem heißt 
es doch, England ins Feuer zu schicken. Sind dann letzteres, Rußland und 
Japan fest engagiert, dann könnte man in Gottes Namen auf die Franzosen 
losschlagen. Denn ohnedem kommen wir doch nicht zur Ruhe, ohne einen 
äußeren Krieg schließlich können wir auch nicht Deutschland von seiner 
auf die Dauer unmöglichen jetzigen Verfassung befreien. Mit diesem 
Reichstag und dem Partikularismus der Glieder geht schließlich alles in 
Stücke. Doch nun Gott befohlen. Empfehlen Sie mich Ihrer von mir hoch- 
verehrten Gattin. Stets Ihr dankbarst ergebener Anton Monts.“ 
Monts hatte das Telegramm Seiner Majestät an den Präsidenten Krüger 
seinerzeit mit Jubel begrüßt und wünschte, daß Wilhelm II. recht bald 
England noch einmal auf sein empfindliches Hühnerauge treten möge. 
Seine Beurteilung der bayrischen Verhältnisse, wo er gleichzeitig auf 
Crailsheim und auf Lerchenfeld, auf den greisen Prinzregenten und auf den 
Prinzen Ludwig schimpfte, war ebensowenig staatsmännisch. Die Zweifel 
des Grafen Monts an der nationalen Gesinnung und Treue des bayrischen 
Heeres, das im Weltkrieg vom ersten bis zum letzten Tage treu und tapfer 
zum Reiche stand, sind durch die Ereignisse widerlegt worden. 
Über seine bei einem Besuch in Berlin empfangenen Eindrücke 
berichtet mir Monts am 20. Mai 1895: „Meine Berliner Eindrücke 
waren, was das Amt anlangt, sehr gute. Holstein geistig und körper- 
lich sehr frisch, in intimstem Verkehr mit Hohenlohe, Marschall ledig- 
lich mit Parlament beschäftigt und darin voller Verdienst, Pourtales 
erledigt mit Hilfe des Professors Krüger sehr gut Holsteins Personal- 
direktiven und hofft inzwischen im stillen auf einen gelegentlich ab- 
fallenden kleinen Posten. Mumm bewährt sich. Als deutscher und 
geistlicher Referent ist ein Legationsrat Klehmet tätig. Soll gut arbei- 
ten, scheint intelligent, aber an Form, Kleidung usw. noch hundert Meter
	        
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