Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

PIERSONS PLÖTZLICHER TOD 605 
eine größere Ruhe meinetwegen. Ich will nicht, daß Deine Treue und Deine 
Freundschaft für mich und die Meinigen durch Schatten, die über mein 
Leben gehen, zu einer andauernden Sorge umgestaltet werden. Auf der 
Welt gibt es nur ganz wenige Menschen, die Dich so lieben wie ich! Ich 
hoffe ja, daß es gelingen wird, die momentan drohende Frage zu lösen. 
Aber nachher ist es genug. Es handelt sich nur darum, den günstigsten 
Zeitpunkt meines Rücktritts festzustellen. Der Grund ist meine Gesundheit. 
Auch muß an gewisse Leute gesagt werden, daß meine Gesundheit ein 
Leben im Süden und fern von Berlin und jeglichem Gesellschaftsverkehr 
erheischt, ich also nach Oberbayern gehen würde. Mein Gesundheitszu- 
stand ist ein qualvoller, ich kann kein anderes Wort dafür finden, das ist 
die reine Wahrheit. Durch zehn Jahre furchtbar mühevoller Arbeit mit 
unserem lieben Herrn war ich total erschöpft. Dann gab mir das Schicksal 
meines Bruders den ‚Fangschuß‘. Wenn ich überhaupt noch leben will, 
so muß ich an den Abschied denken. Dazu tritt die Freundespflicht Dir 
gegenüber. Ich werde mich durch nichts in meinem Entschlusse wankend 
machen lassen. Was nun die unglückliche Angelegenheit Pierson betrifft, 
die mich tief affiziert, weil ich eine geradezu trostlose Enttäuschung er- 
fahren habe, so wäre es vielleicht gut, Du ließest Dir Fürst Dohna kommen. 
Neid hat ihn, meinen alten Jugendfreund, in eine feindliche Haltung 
getrieben. Auch ist er im Grunde seines Herzens egoistisch und falsch, 
aber er ist unendlich ehrgeizig und eitel, Du wickelst ihn wie ein Band um 
Deinen Finger. Er wird leicht einlenken, wenn Du ihm erklärst, daß ich 
5. M. stets nützlich war und S. M. nicht angelogen habe!! Daß er sich 
Verdienste erwürbe, wenn er die Sache Pierson-Hochberg einrenke. Ich 
würde in Erinnerung an alte Jugendfreundschaft und verwandtschaftliche 
Beziehungen den Mantel der Liebe über schwere Kränkungen ziehen, die 
ich erlitten hätte. Allezeit Dein Dir ewig dankbarer Philipp Eulenburg.“ 
Die Situation wurde dadurch noch verworrener, daß Eulenburg sich 
für alles, was er über angebliche Defraudationen des Hofrats Pierson ver- 
breitet und insbesondere Seiner Majestät erzählt hatte, auf das Zeugnis 
einer Frau Bach in München berief. Nun hatte Eulenburg früher, als dem 
Kaiser von einem bayrischen Prinzen gesagt worden war, Eulenburg treibe 
Spiritismus mit einer Frau Bach, auf sein Ehrenwort erklärt, eine Frau 
dieses Namens überhaupt nicht zu kennen. Der bedauernswerte Eulenburg 
hatte sich in seinen eigenen Schlingen gefangen, wie das bisweilen auch ge- 
schickten Leuten passiert. Seine Sorgen und Ängste fanden unvermutet 
ein Ende. Als Deus ex machina griff der Tod ein, der so manchen gordischen 
Knoten zerschneidet. Der erst provozierte, dann gefürchtete Hofrat Pierson 
wurde von einem Tage zum andern aus dieser Welt abberufen. Eulenburg, 
dem dieser Mortimer sehr gelegen starb, schrieb mir darüber: „Die leidige
	        
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