Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

DIE RIESEN IN DER SUITE 607 
päischen Diplomatie für seine Taktlosigkeit und seine schlechten Manieren 
berüchtigt. Am nächsten Tage kam Graf Lanza noch einmal auf die Sache 
zurück. Er zeigte mir ein Telegramm des italienischen Gesandten in Mün- 
chen, dessen Meinung er eingeholt hatte und der ihm meldete, daß Monts 
sich in München in allen Kreisen, bei Hofe, in der Gesellschaft wie in der 
Künstlerschaft, unmöglich gemacht hätte. Auch sei er ein verbissener 
Katholikenfeind, was in Rom so wenig gefallen würde, wie es in München 
gefallen habe. Ich ließ mich aber auch hierdurch nicht irremachen, beharrte 
eigensinnig auf meinem Entschluß, und die wenig glückliche Ernennung 
erfolgte. Ich brauche kaum hinzuzufügen, daß die Dankbarkeit des Grafen 
Anton Monts, der nie gedacht hatte, daß er es bis zum Botschafter bringen 
würde, zunächst unbegrenzt war. Er schrieb an meine Frau, wohl wisse er, 
daß er die große Beförderung nur mir zu verdanken habe. In freudiger Er- 
regung hatte er das Wörtchen „nur“ dreimal unterstrichen. „Und Sie 
waren“, schloß der Brief, „die gute Fee, die mich beschützte und meine 
Kandidatur förderte.“ Letzteres war nicht einmal wahr, meine Frau 
mischte sich nie in Personalien. Um seiner Erkenntlichkeit auch äußerlichen 
Ausdruck zu geben, ließ der „dankbarste und treu ergebene‘‘ Monts einen 
Nagel, den er bei einem Spaziergang mit meiner Frau gefunden zu haben 
behauptete, als glückverheißendes Symbol aufeinen silbernen Aschenbecher 
montieren und übersandte ihn meiner Frau. Eheu! Aschenbecher und Nagel 
müssen noch in irgendeiner Kommode in Flottbeck oder in der Villa Malta 
bei anderem alten Kleinkram liegen. Vom Grafen Monts hörte ich nach 
meinem Rücktritt nichts mehr. 
Anfang Mai wurde die Kaiserreise nach Rom angetreten. Es fiel mir auf, 
daß der Kaiser schon auf dem Anhalter Bahnhof von lauter sehr großen, 
besonders hochgewachsenen Offizieren umgeben war: Hellmuth Moltke, 
Dietrich Hülsen, Plessen und anderen. Unterwegs stieg der womöglich 
noch größere Kleist ein, dann der General Jacoby, einer der allerlängsten 
Offiziere der Armee, und endlich der aller-, allergrößte, der Oberst von 
Plüskow, den man in Paris, wohin er einmal in besonderer Mission gesandt 
worden war, „Plusquehaut‘ genannt hatte. Der Kaiser wollte mit diesen 
Riesen in Rom imponieren, was schon deshalb eine verfehlte Idee war, 
weil es gerade in Norditalien viele hochgewachsene Männer gibt und die 
Guardia Regia, die italienische Königsgarde, aus wahren Riesen besteht. 
Der Gedanke war aber auch nicht sehr taktvoll, denn da der König Viktor 
Emanuel III. von kleiner Figur ist, war es kein glücklicher Einfall, gerade 
ihm diese Riesengarde vorzuführen. Ich ließ es mir doppelt angelegen sein, 
den Kaiser um ein möglichst liebenswürdiges Verhalten gegenüber dem 
König zu bitten, der, weil er selbst bescheiden auftrete, bei anderen nicht 
das liebe, was die Italiener „‚prepotenza‘“‘ nennen. So bewegte sich denn 
Abfahrt 
mitdemKaiser 
nach Rom
	        
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