Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

PARADE IN PORT ARTHUR 631 
wünschten. Die ganze Angelegenheit habe eine fatale Ähnlichkeit mit der 
Entstehung der mexikanischen Expedition, die Napoleon III. einst so schr 
geschadet hätte. Damals wäre der französische Kaiser durch geldgierige 
Jobber und Schranzen zu einem Abenteuer verleitet worden, das er schwer 
habe büßen müssen. Es beunruhigte den Botschafter, daß die russischen 
Generäle schon anfingen, mit dem Säbel zu rasseln, um die Japaner einzu- 
schüchtern. Der russische Statthalter Alexejew habe in Port Arthur eine 
große Parade abgehalten. Ein anderer General habe Mukden besetzt. Das 
alles gefiel dem alten und erfahrenen Botschafter nicht. „Gebe Gott“, 
meinte er, „daß wir nicht auf dem japanischen Riff auflaufen.“ Zum Schluß 
teilte mir Graf Osten-Sacken nach einigem Zögern mit, daß sein Chef Graf 
Lambsdorff mich bitten lasse, ihm nicht von ostasiatischen Fragen zu 
sprechen. Es würde dem russischen Minister zu peinlich sein, mir sagen zu 
müssen, daß ihm durch einen Allerhöchsten Willensakt die Behandlung 
dieser Frage aus der Hand genommen wäre. „Ce pauvre Lambsdorff est 
comme un petit gargon qu’on a mis au coin.““ Ich berücksichtigte natürlich 
diesen Wink und beschränkte mich bei meinem Gespräch mit dem Grafen 
Lambsdorff auf die Behandlung derjenigen Fragen, über die es ihm erlaubt 
war eine Ansicht zu äußern. Der russische Minister lobte den Grafen Go- 
luchowski, mit dem er sich trotz dessen polnischer Extraktion gut verstehe. 
Er und Goluchowski wünschten auf der Balkanhalbinsel vor allem Rube. 
Das „‚Quieta non movere“ wäre die Formel, über die sie sich geeinigt hätten. 
Rußland sei unter Katharina II., Alexander I., Nikolaus I., Alexander II. 
erobernd im Orient aufgetreten. Im Gegensatz hierzu wolle Nikolaus II. 
nach Möglichkeit auf der Balkanhalbinsel und in der Türkei den Frieden 
und den Status quo aufrechterhalten. Diese veränderte Richtung der rus- 
sischen Politik, führte Lambsdorff lächelnd aus, entspringe natürlich nicht 
reinem Edelmut, wohl aber dem bestimmten Wunsch, einen großen Krieg 
zu vermeiden. Kaiser Nikolaus sei überdies mit ihm, Lambsdorff, der Über- 
zeugung, daß eine Änderung des Status quo auf der Balkanhalbinsel den 
gegenwärtigen Interessen Rußlands nicht entsprechen würde. Die Kaiser- 
mächte müßten alles vermeiden, was den revolutionären Elementen in 
Europa zugute kommen würde. Der letzte türkische Krieg habe in seinen 
weiteren Folgen zur Ermordung des Kaisers Alexander II. geführt. Schon 
deshalb dürfe den unruhigen Bestrebungen der Balkanstämme kein Vor- 
schub geleistet werden. Die Voraussetzung einer konservativen und fried- 
lichen russischen Orientpolitik wäre natürlich, daß Österreich weiter die 
Fühlung mit Rußland aufrechterhalte und daß die Türkei das zwischen 
Rußland und Österreich in Mürzsteg vereinbarte Programm akzeptiere. 
Führe die Türkei das österreichisch-russische Programm nicht gutwillig 
aus, so wäre das von ihrer Seite eine selbstmörderische Politik, denn
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.