Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Übersetzung des Briefes auf Seite 235 
Wilhelm II. an die Kaiserin Friedrich 
Meine geliebte Mama, 
Deinen lieben Brief über die Veröffentlichung von Fürst Bismarcks „Erinne- 
rungen“ erhielt ich gestern bei meiner Ankunft in diesem einsamen und lieblichen 
Ort an der Grenze! Ich stimme ganz mit Dir überein im Urteil über den Wert, 
den Ton und die Tendenz, die diesen Busch zur Herausgabe bewogen hat. Uns 
bringen sie nichts Neues. Der Bismarckschen „Clique reinsten Wassers“ erscheinen 
sie als Frevel an der Heiligkeit ihres geliebten Idols, und deswegen machen sie 
jetzt, obgleich sie genau wissen, daß alles reine Wahrheit ist, einen Höllenlärm 
und möchten sie verleugnen! Aber den vernünftigen Deutschen und selbst Freun- 
den und Bewunderern Bismarcks werden bei diesen Enthüllungen die Augen auf- 
gehen, und sie werden tief gekränkt sein, wenn sie’s auch nicht zeigen werden, 
und sie werden manches verstehen, was ihnen bisher mehr oder weniger ein Rätsel 
war. Sie werden manches widerrufen! Busch selbst wird am besten charakteri- 
siert durch seinen Namensvetter Wilhelm Busch, der einst ein kleines Pasquill 
in Versen über das einst berühmte Buch „Bismarck und seine Leute“ veröffent- 
licht hat und darin sagt: 
„Manchmal liest der Mensch bisweilen 
In den Büchern ein’ge Zeilen 
Und spricht ohne Schmeichelei 
Für den Autor schon: Ei! Ei! 
Aber was will das bedeuten 
Gegen ‚B’s seine Leuten‘, 
Wo uns wie mit Fäusten packt 
Gleich ihr angeborener Takt!“ 
Moritz Busch zeigt bei dieser Gelegenheit wieder einmal die Wahrheit von Me- 
phistos Wort: „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets 
das Gute schafft —“. Er verfolgt denselben Zweck wie einst Bismarck, nämlich 
vom Volk gepriesen, bewundert und verherrlicht zu werden auf Kosten unserer 
Dynastie und unseres Hauses, nachdem er dem guten deutschen Volk den Glau- 
ben beigebracht hat, er sei immer bereit, für uns zu sterben, und er habe uns auf 
den deutschen Kaiserthron erhoben! Aber das alles hat keinen Wert. Das Volk 
wird allmählich über ilın klar werden, und Veröffentlichungen dieser Art werden 
nur dazu beitragen, die Aufklärung der Masse zu beschleunigen. Du hast recht
	        
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