IV. KAPITEL
Besprechungen mit Kiderlen, Miquel und Hohenlohe » Telegramm von Francesco
Crispi « Fahrt nach Kiel « Langer Spaziergang mit Wilhelm II. unter Erörterung der
Flottenfrage + Abfahrt nach Peterhof - Die Kaiscrliehe Umgebung: Lucanus, Hahnke,
Senden, August Eulenburg, Plessen
lsich Anfang August in Berlin eintraf, suchte ich den Fürsten Hohenlohe,
den Finanzminister von Miquel und den bisherigen Reisebegleiter des
Kaisers Herrn von Kiderlen auf. Fürst Hohenlohe sagte mir, daß er zu
Lande nach Peterhof fahren werde, die Seereise wäre ihm unbequem, auch
wünsche er sich kurze Zeit in Wilna und Werki aufzuhalten. Er redete mir
zu, mit dem Kaiser auf der „Hohenzollern“ zu fahren. Ich frug Kiderlen,
ob er den Kaiser nach St. Petersburg begleiten werde, welche Frage er
verneinte. Ich ermunterte ihn, gerade diese Reise mitzumachen: „Qui va
äla chasse, perd sa place.“ Wenn er mitkomme, so stünde ich ihm dafür ein,
daß ich sein seit einiger Zeit getrübtes Verhältnis zum Kaiser wieder ein-
renken würde. Ich besäße für den Kaiser noch den Reiz der Neuheit und
würde die Versöhnung erreichen. Kiderlen blieb bei seiner Weigerung und
meinte in seiner derben Art: „Exzellenz, wenn Sie erst so viele Jahre wie
ich diese Reisen mit ihrer Unruhe mitgemacht hätten, würde das Ganze
Ihnen ebenso zum Halse rausstehen wie mir.“ Den Finanzminister fand ich
beeindruckt durch ein Telegramm, das er wenige Minuten vorher von
Seiner Majestät aus Kiel erhalten hatte. In Schlesien, Sachsen und der
Lausitz hatten große Überschwemmungen stattgefunden, leider waren da-
bei über hundert Menschen umgekommen. Aus diesem Anlaß hatte der Kaiser
an Miquel ein Telegramm gerichtet, das in kühner Gedankenverbindung
jenes schwere Unglück, das der Himmel über uns verhängt habe, in Ver-
bindung mit dem Widerstand des Reichstags gegen die Flottenbestre-
bungen Seiner Majestät brachte. Miquel beruhigte sich über diese aller-
höchste Willenskundgebung, die ihn anfänglich verblüfft hatte, als ich ihm
aus genauerer Kenntnis der Art des Kaisers darlegte, wie dieser, wenn ihn
eine Idee so ganz erfülle, wie jetzt der Flottengedanke, nach jedem Argu-
ment greife, um seine Wünsche der Verwirklichung entgegenzuführen,
wobei die allzu lebhafte Phantasie des hohen Herrn mitspiele. Auch als die
Bei
Hohenlohe,
Kiderlen,
Miquel