DER ARRETIERTE REDAKTEUR 99
Völlerei und Hurerei verfielen. Was die Japaner angehe, so würden sie nie
triumphiert haben, wenn der Deutsche Reichstag dem Deutschen Kaiser
früher eine deutsche Flotte bewilligt haben würde, mit der er sie rechtzeitig
hätte zu Paaren treiben können. Ein nicht weit vom Kaiser stehender
Reporter der „Straßburger Bürgerzeitung‘ war bei dem lauten Organ
Seiner Majestät in der Lage gewesen, die kaiserliche Rede nachzu-
stenographieren, und veröffentlichte sie noch am selben Abend. Als ich
wegen dieser nach beiden Seiten, für die Russen wie für die Japaner sehr
beleidigenden Rede ernste Vorstellungen erhob, antwortete mir der Kaiser
aus Urville, wo er inzwischen eingetroffen war, die Journalisten wären so
aufdringlich, daß er sich nicht vor ihnen retten könne. Er habe in seinem
Garten in Urville persönlich einen berüchtigten Redakteur einer Metzer
Zeitung arretiert. „Es fehlte nicht viel, daß ich ihm selbst das Fell versohlt
hätte.“ Der Mann am Steuer des Schiffs bedurfte angespannter Aufmerk-
samkeit und nicht geringer Geduld, um den richtigen Kurs zu halten,
während der Kapitän solchen Unfug trieb.
Ich habe während meiner Amtszeit mehr als einmal an ein Wort ge-
dacht, das ich als Sekretär unserer Botschaft in Paris von dem damaligen
klugen Korrespondenten der „Times“ in der französischen Hauptstadt,
Herrn Oppert-Blowitz, hörte. Als ich meiner damaligen und niemals er-
loschenen Bewunderung und Verehrung für den Fürsten Bismarck Aus-
druck gab, meinte Blowitz: „C’est bien, mais n’oubliez pas que Bismarck
est une rose dont l’Empereur est la tige.‘ In einem Lande, dessen Monarch
eine so gewaltige Stellung einnahm, wie sie seit und durch Bismarck der
König von Preußen und Deutsche Kaiser besaß, war es sehr schwierig,
ohne dauernden und festen Rückhalt an ihm Politik zu machen. Der alte
Kabinettsrat von Lucanus sagte mir, als ich Staatssekretär wurde: „Auf
unseren Allerhöchsten Herrn hat jeder Einfluß und doch eigentlich nie-
mand.“ Das sollte heißen, daß der Kaiser gelegentlich und vorübergehend
auf jeden, dauernd auf keinen höre. Natürlich benutzten alle Streber und
Intriganten gereizte Stimmungen Seiner Majestät gegen diese oder jene
Partei, um da einzubaken.
Der Botschafter in Rom Graf Monts hatte kaum gehört, daß der Kaiser
auf das Zentrum schelte, als er seine alte Abneigung gegen alles Katholische
mit Ostentation zur Schau trug. In diesem Sinne schrieb er an meinen
Personaldezernenten, den ähnlich denkenden Prinzen, späteren Fürsten
Lichnowsky, daß meine innere Politik ihm wegen meiner freundlichen
Haltung gegenüber der katholischen Kirche schwere Besorgnis einflöße.
Es hieß in diesem Brief von Monts, der auch als Botschafter in Rom mir
gegenüber den gewohnten Ton des Adoranten vorläufig noch beibehielt:
„Bülow überragt geistig uns, seine Freunde alle ja so bedeutend, daßesan
Pi
Graf Monıs
über die
katholische
Kirche