Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

DER FALL DES FÜRSTEN HATZFELDT 101 
Vater frug, ob er mir einen Auftrag an Eure Exzellenz zu geben habe, ant- 
wortete er zunächst durch Betonung seiner wohlgeneigten Gesinnung und 
fügte dann hinzu: ‚Il papa se gli raccomanda‘, einen Satz, den er nochmals 
mit Nachdruck wiederholte.“ Ich habe Hertling zweimal nach Rom ge- 
schickt, 190% und 1905. Ale Zweck dieser Mission wurde von mir nach 
außen nur die Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät in Straß- 
burg angegeben, die im Vatikan auf Schwierigkeiten stieß. Ich verfolgte bei 
der Entsendung von Hertling aber in petto auch die Absicht, ihn mit den 
römischen Verhältnissen vertraut zu machen. Ich wünschte die preußische 
Gesandtschaft beim Päpstlichen Stuhl mit der Zeit in eine deutsche Bot- 
schaft zu verwandeln, und Hertling erschien mir als geeigneter Reichsbot- 
schafter. Mit der Entsendung von Hertling war Kardinal Kopp nicht ein- 
verstanden. Dieser große Kirchenfürst, der mir bis zu seinem Tode ein 
gütiger Gönner und treuer Freund blieb, schrieb mir darüber: „Wenn der 
gute Hertling in Rom nur sehr vorsichtig ist, um nicht nach zwei Seiten anzu- 
stoßen, in den vatikanischen Kreisen unter dem Verdachte, die Rolle des 
t Kraus fortsetzen zu wollen, in unseren einheimischen liberalen Kreisen 
durch die scheinbare Übernahme einer Nebenstellung zu unserem Ge- 
sandten, Herrn von Rotenhan. Hertling muß sehr zurückhalten und sich 
nicht im Reden gefallen. Doch werden Eure Exzellenz seine Aufträge mit 
gewohnter weiser Umsicht genau umschrieben haben.“ Ich habe mich 
während meiner ganzen Amtszeit weder durch wechselnde Stimmungen an 
Allerhöchster Stelle noch durch die bei uns meist mehr durch Gefühl und 
vorgefaßte Meinung als durch ruhige Einsicht bestimmte öffentliche Mei- 
nung in der Überzeugung erschüttern lassen, daß in unserem konfessionell 
gespaltenen Vaterland Gerechtigkeit gegen beide Konfessionen, volle 
Parität und sorgsame Schonung der Gefühle der katholischen Minorität im 
Interesse der nationalen Einheit eine Lebensfrage für die Nation sind. 
Diese meine grundsätzliche Stellung zur katholischen Kirche hat mich 
allerdings nicht verhindert, auch der Zentrumsfraktion entgegenzutreten 
und auch mit ihr den Kampf aufzunehmen, wenn mir dies im staatlichen 
Interesse geboten erschien. 
Bei diesem Rückblick auf unsere innere Politik möchte ich noch einen 
an und für sich bedeutungslosen Vorfall erwähnen, dessen ich mich aber 
zwölf Jahre später in einem traurigen Moment unserer Geschichte erinnern 
sollte. Der langjährige Oberpräsident von Schlesien, Fürst Hermann Hatz- 
feldt, Herzog von Trachenberg, hatte seinen Abschied eingereicht, angeblich 
wegen eines plötzlich hervorgetretenen Augenleidens, in Wahrheit, weil er 
sich in dem Irrgarten der Licbe verirrt hatte. Er gehörte einem alten und 
vornehmen Geschlecht an, von dem aber nicht mit Unrecht gesagt wurde, 
daß es mehr Liaisons, Scheidungen und Entführungen aufzuweisen hätte 
Fürst 
Hatzfeldı 
geht
	        
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