Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

MONTS UND RARRERE 115 
verstehe. Andere deutsche Diplomaten sähen in Österreich den Sitz wahrer 
Vornehmheit und würdiger Tradition. Noch anderen imponiere das rus- 
sische Reich, der russische Zar, das russische Leben von den Bärenjagden 
bis zu den Bällen im Winterpalais. Für noch andere wäre Paris das einzige 
Klima, das sie vertrügen. In die letztere Kategorie gehörte Montes. Errühmte 
sich, von einem Dynasten des Languedoc abzustammen. Leute, die in der 
Genealogie besser Bescheid wußten als ich, behaupteten dagegen, der 
Großvater Monts habe zu den französischen Finanzkommis gehört, die 
Friedrich der Große in den letzten Jahren seiner Regierung aus Frankreich 
bezog, um in Preußen die indirekten Steuern mit französischer Härte und 
Habsucht einzuführen. Wie dem auch sein möge, Monts führte gern den 
angeblichen Wahlspruch seines Geschlechts „Fortis ut mons“ im Munde 
und trug auf seinen Manschettenknöpfen drei kleine Berggipfel, mit denen, 
wie er zu verstehen gab, auf ihrem Schilde seine Ahnen in Toulouse bei 
ritterlichen Turnieren in die Schranken geritten wären. Als er Botschafter 
zu werden wünschte, äußerte er mir gegenüber: „Ich möchte mich nicht 
selbst rühmen, aber ich glaube, daß ich für die große Diplomatie zwei 
Eigenschaften mitbringe, un nom ronflant et un devouement absolu für 
Sie.“ Monts warin Rom bald unter den Einfluß seines ihm an diplomatischer 
Routine, in der Menschenbehandlung, vor allem an Geschicklichkeit sehr 
überlegenen französischen Kollegen Barrere geraten. Barräre war ein 
intimer persönlicher Freund von Delcasse. Er setzte alles in Bewegung, um 
seinen Chef zu halten. In derselben Richtung arbeitete Luigi Luzzatti, ein 
namhafter Volkswirt, ein guter Schatzminister, ein Idealist, aber durch und 
durch französisch gesinnt. Barrere und Luzzatti veranlaßten Monts, im 
Höhepunkt der Delcasse-Krisis einen Bericht an mich zu richten, der als 
Rettungsgürtel für Delcasse dienen sollte und in dem es hieß: Luzzatti habe 
ihn, Monts, aufgesucht und ihm in bewegten Worten die Sorgen geschildert, 
die Barrere um seinen Chef und Freund Delcasse empfinde. Als Luzzatti 
auf die prononciert antideutsche Politik des französischen Ministers des 
Äußern hingewiesen hätte, habe Barrere diese Politik mit dem Hinweis dar- 
auf verteidigt, daß die Republik die Traditionen Gambettas, der im Herzen 
unwandelbar die Hoffnung auf eine Wiederangliederung von Elsaß-Loth- 
ringen genährt hätte, wenigstens im Prinzip nicht aufgeben könne und daß 
das französische Volk zu einer Versöhnung mit uns noch nicht reif wäre. 
Diesen Ausführungen sei von ihm, Luzzatti, entgegengesetzt worden, daß 
mit der Revanche es sich wie mit dem Blute des heiligen Januarius in 
Neapel verhielte. Nur wenn die Drahtzieher in Paris es wünschten, ließen 
sie die elsässische Wunde bluten. Tatsächlich aber wolle die große Masse der 
französischen Nation den Frieden. Das empfinde jetzt Delcasse. Man glaube 
in Paris zu wissen, daß Monts persönlich jedes Chauvinismus bar sei und zu 
g*
	        
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