Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

NICKY UND WILLY 131 
maler Knackfuß angefertigten Bildern, die er dem Zaren zu Weihnachten 
und zu seinem Geburtstag als eigene Erzeugnisse verehrt hatte. Das 
erste dieser Bilder war nach der Besitzergreifung von Kiautschou ent- 
standen und zeigte Wilhelin II. in sinnbildlicher Verherrlichung als Erz- 
engel mit feurigem Schwert, der die Großmächte zum Kampf gegen den 
unheiligen Buddha auffordert. Ich habe bei Besprechung unserer wirtschaft- 
lichen wie pulitisch wichtigen Beziehungen zu Japan erwähnt, wie sehr 
uns diese geschmacklose Allegorie bei Millionen Buddbisten geschadet und 
unser Verhältnis zu Japan erschwert hat. Dem russischen Kaiser hat sie 
vielleicht zugesagt. Das zweite Bild, wo der heilige Michael mit dem eisernen 
Kreuz auf der Brust und vielen Reichsadlern auf seinem Harnisch die gegen 
den Tempel der Ordnung und des Friedens anstürmenden Dämonen der 
Hölle abwehrt, konnte revolutionären Geistern mißfallen, aber kaum dem 
Russenkaiser. Ganz übel aber war das dritte Bild, auf dem Kaiser Wilhelm 
in prächtiger Haltung und schimmernder Rüstung, in der hocherhobenen 
Rechten ein riesiges Kruzifix, vor dem Zaren steht, der in demütiger, 
beinahe lächerlicher Positur und in einem byzantinischen Gewande, das 
mehr einem Schlafrock gleicht, bewundernd zu dem Deutschen Kaiser 
aufschaut. Im Hintergrunde kreuzen deutsche und russische Panzer- 
schiffe. 
Wenn also die Gefühle des Kaisers Nikolaus für Kaiser Wilhelm geteilt 
waren, so empfand der Zar für seinen Schwager, den Bruder des Deutschen 
Kaisers, den Prinzen Heinrich von Preußen, nur Freundschaft und Ver- 
trauen. Das hatte mich im April 1905 veranlaßt, den Prinzen zu bitten, 
den Zaren persönlich aufzusuchen, um sich de visu et auditu über dessen 
Stimmung zu informieren und ihm Mut und Ausdauer einzuflößen. Der 
Prinz war immer bereit, sich seinem Bruder, dem Kaiser, und dem Lande 
nützlich zu machen. Er schrieb mir, daß auch seine Privatnachrichten aus 
Petersburg beunruhigend lauteten. Man fürchte am Hofe besonders die 
Rachsucht von Witte, der mit der Kaiserin-Mutter gut stehe, um so 
schlechter mit der regierenden Kaiserin, die ihm zutraue, daß er unter 
Umständen kein Mittel, auch das schlimmste nicht, scheuen würde, um seine 
Zwecke zu verwirklichen. Weiter hieß es in diesem Brief: „Mit unserem 
Kaiser hatte ich auf der Fahrt von Bremen nach Cuxhaven, wie immer im 
Kreise einer größeren Zuhörerschaft, ein leider wenig sachliches Gespräch 
über den Zaren, währenddessen ich in die Rolle gedrängt wurde, die Person 
des Zaren vor Anklagen und Ausdrücken schärfster Art zu schützen. Im 
Verlauf dieses Gesprächs betonte S. M. die Notwendigkeit, daß der Zar zu 
seinen Truppen nach der Front müsse. Daß das Haus Romanow um seine 
Krone und somit um seine Existenz kämpft, unterliege wohl keinem 
Zweifel... Die Rolle, die Sie mir zugedacht haben, wird sich am besten 
0. 
Nachrichten 
des Prinzen 
Heinrich
	        
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