Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

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verteilt haben, daß ein Zusammengehen Frankreichs mit Deutschland und 
Rußland auch im Falle eines englischen Angriffs auf Deutschland nicht 
ausgeschlossen erschien. Durch die ausdrückliche Eximierung von Asien 
werden die Chancen eines Krieges zwischen den beiden Kaiserreichen und 
England für uns so wenig günstig, daß Frankreich sich uns nicht an- 
schließen wird. Es wird dadurch aber auch die Möglichkeit einer russisch- 
englisch-französischen Verständigung über Asien gefördert. Dieser Zusatz 
nimmt uns einen Haupttrumpf aus der Hand, während Rußland seine 
Stiche behält und England das As der Gegner nicht mehr zu fürchten hat. 
Ich bin meinem Kaiserlichen Herrn schuldig, offen zu sagen, daß ich nach 
ruhiger und rein sachlicher Prüfung vor Gott und meinem Gewissen den 
Zusatz ‚en Europe‘ für schädlich und gefährlich halten muß. Auf der 
anderen Seite sehe ich wohl ein, daß Ew. Majestät bei Sr. Majestät dem 
Kaiser Nikolaus eine Modifikation des soeben von Ew. Majestät vor- 
geschlagenen und unterschriebenen Vertrags nicht wohl anregen können. 
Se. Majestät der Kaiser Nikolaus wird schwerlich auf einen Zusatz ver- 
zichten wollen, der für Rußland eine Erleichterung und Bequemlichkeit 
bedeutet. Alvensleben, der nicht im Geheimnis ist, meldet, daß Lambsdorff, 
der im Winter nicht an den Vortrag heranwollte, jetzt nach Björkö in 
ungewöhnlich guter Laune war. Werden die Russen den ihnen in den Schoß 
gefallenen Vorteil preisgeben ? Wird es möglich sein, ihnen die nachträgliche 
Eliminierung der Worte ‚en Europe‘ mundgerecht zu machen? Der Zar 
wird auch schwerlich für einen Zusatz oder eine Interpretation zu dem 
Vertrag zu gewinnen sein, dem zufolge Rußland sich verpflichtet, auch im 
Falle eines Angriffs auf Deutschland den Krieg für das gesamte russische 
Reichsgebiet zu erklären, oder nach dem beide Mächte sich verpflichten, 
jeden aus dem Bündnis folgenden Krieg für ihr gesamtes Gebiet zu erklären. 
Würden solche Anregungen nicht wie Rauhreif auf die jetzige gute Stim- 
mung des Zaren fallen? Ich verkenne auch nicht, daß jede solche Anregung 
deshalb höchst gefährlich wäre, weil sie den Russen die Möglichkeit bieten 
könnte, von dem ganzen Vertrage abzuspringen. Geschähe dies, wo würde 
eine Situation geschaffen werden, die schlechter wäre als diejenige, die vor 
dem Abschluß des Vertrages bestand. Deshalb bitte Ew. Majestät ich in 
tiefster Ehrfurcht, die Leitung der auswärtigen Politik anderen Händen 
anvertrauen zu wollen. Es ist möglich, daß ein anderer, in die Situation 
eingeweiht, sie anders beurteilt als ich. Er könnte sich vielleicht mit gutem 
Gewissen auf Ew. Majestät Standpunkt stellen und mit dem Vertrag in 
dieser Fassung weiteroperieren. Ich brauche nicht zu sagen, daß ich meinen 
Rücktritt selbstverständlich nur mit Gesundheitsrücksichten begründen 
würde. Ich brauche noch weniger zu sagen, daß meine treuesten, dank- 
barsten und allerinnigsten Wünsche immer meinen Kaiserlichen Herm
	        
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