Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

DER PLAN MIT DEM KRONPRINZEN 153 
prinzen eingeladen, ohne zuvor, wie dies sich gehöre, ihm, dem Kaiser, 
Nachricht zu geben. Dem Kronprinzen gegenüber habe der König sogar 
wider besseres Wissen behauptet, er hätte sich des Einverständnisses des 
Kaisers vorher versichert, und daraufhin habe damals der Kronprinz die 
Einladung angenommen. Er, der Kaiser, habe dann mit vieler Mühe dem 
Kronprinzen klarmachen müssen, daß er als Verlobter unmöglich sich dort 
in England von all den Damen den Hof machen lassen könne. Jetzt, 
nachdem der König ihn selbst, den Vater, so ostentativ gemieden, fange er 
wieder damit an, seinen Sohn ‚hintenherum‘ einzuladen. Der König ver- 
folge damit den doppelten Zweck: einmal, seinen Sohn mit seinem Vater zu 
entzweien, und dann wolle er nach altem englischem Rezepte sich hier 
eines Mitgliedes der Familie versichern, das ihm als Spion und Kundschafter 
dienen und das er nach Gutdünken für seine Interessen benutzen könne. 
Mit Geschick habe sein Onkel denjenigen seiner Söhne herausgefunden, 
der am leichtesten für solche Pläne einzufangen sei. Der Kronprinz sei 
blind in seiner Bewunderung Englands und könne den Reizen des dortigen 
Lebens und der schönen Engländerinnen nicht widerstehen. Die Einladung 
des Kronprinzen sei eine ‚offene Beleidigung‘ für ihn, den Kaiser, nach 
allem, was vorhergegangen. Ihre Majestät unterstützte den Kaiser in seiner 
Auffassung. Es soll nun der Kronprinz telegraphisch antworten, er könne 
wegen des Besuchs des Königs von Spanien (der in der Woche zwischen 
dem 5. und 12. November nach Berlin kommen soll) die Einladung leider 
nicht annehmen. General von Plessen wurde später auch ins Geheimnis 
gezogen und äußerte, bei dem Charakter des Kronprinzen sei es zweifellos, 
daß er von König Eduard und den dortigen Damen völlig ‚eingewickelt‘ 
werden würde. General von Plessen sagte mir noch heute abend, der Kaiser 
habe befohlen, daß er und General Löwenfeld sich unauffällig während 
des Besuchs der englischen Flotte in Swinemünde aufhalten sollten, um 
den Gang der Dinge an Ort und Stelle zu beobachten und dann zu berichten. 
Ich habe General von Plessen eindringlich vorgestellt, daß seine Anwesen- 
beit in Swinemünde doch nicht geheim bleiben werde und daß es einen sehr 
schlechten Eindruck machen werde, wenn er bei seinen nahen Beziehungen 
zu S.M.dort quasi als Geheimagent des Kaisers auftauche. Auf meine 
Veranlassung ist nun zunächst an den General von Löwenfeld, und zwar 
chiflriert, durch das A. A. die Weisung ergangen, in Zivil dorthinzugehen. 
Plessen will S.M. bitten, von seiner Entsendung abzusehen. Am letzten 
Tage seiner Anwesenheit in Wilhelmshöhe kam Max Fürstenberg noch zu 
mir und erzählte mir ganz erregt, S. M. habe ihm gegenüber in solchen 
Ausdrücken über König Eduard gesprochen, daß er noch ganz perplex sei. 
Er könne mir gar nicht wiederholen, was der Kaiser gesagt habe; und auch 
auf den österreichischen Botschafter in London, Graf Mensdorff, scheine
	        
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