Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

DAS VÄTERLICHE VERBOT 155 
zessin Sophie von Sachsen-Saalfeld-Koburg zu erobern. Um die Heirat zu 
ermöglichen, wurde er in den Grafenstand erhoben und erhielt den Namen 
des Dorfes Mensdorff, aus dem er stammte. Die Königin Victoria erstreckte 
die unbegrenzte Licbe, die sie für ihren Gemahl empfand, auf alle seine 
Verwandten, auf alle, die irgendwie mit dem Hause Koburg zusammen- 
hingen, also auch auf die Familie Mensdorff. Wenn ein Mensdorff zur 
Königin eingeladen wurde, erhielt er einen besonderen sehr hohen Rang. 
König Eduard machte es in dieser Beziehung wie seine Mutter. Der Erz- 
herzug Franz Ferdinand erzählte mir gelegentlich mit zornigem Ausdruck, 
man habe ihn in England bei einem feierlichen Anlaß in derselben Reihe 
mit einem österreichischen Untertan, dem Botschafter Mensdorff, 
placiert. Die Königin und ihr Sohn gingen davon aus, daß der Rang sich 
nach dem Grade der Verwandtschaft mit dem englischen Königshause 
richte. In England fand alle Welt mit englischem Aplomb und englischem 
Hochmut dies völlig in der Ordnung, Tories und Whigs, Aristokraten wie 
Demukraten. Kaiser Wilhelm, obwohl er von allen nichtenglischen Fürst- 
lichkeiten dem englischen Königshause verwandtschaftlich am nächsten 
stand und schon deshalb sein Rang nicht angetastet werden konnte, 
ärgerte sich doch darüber, daß Albert Mensdorfl, der übrigens ganz ge- 
wandt, auch etwas intrigant war und es nicht ungern sah, wenn die 
englische Gesellschaft den „netten“ (nice) Österreicher dem „bösen“ 
(wicked) Deutschen vorzog, so sehr fetiert wurde. 
Am 8. September berichtete mir Tschirschky weiter: „Euer Durchlaucht 
beehre ich mich Nachstehendes gehorsamst zu melden. Seine Majestät ge- 
ruhten mir soeben mitzuteilen, daß S. K. H. der Kronprinz einen Brief 
des Königs Eduard erhalten hat, in dem der König sich darüber beklagt, 
daß Seine Majestät auch dieses Jahr den Besuch des Kronprinzen in Eng- 
land verhindert habe. Hiernach sei es klar, daß der Kaiser überkaupt nicht 
wolle, daß der Kronprinz nach England komme. Der Ton des Briefes sei 
wenig freundlich gewesen. S. M. fügten hinzu, der Kronprinz scheine leider 
seiner Weisung, als Grund für die Ablehnung der Einladung den Besuch des 
Königs von Spanien anzuführen, nicht gefolgt zu haben, sondern habe in 
seinem Unmute über das entgangene Amüsement in England sich nur auf 
das kaiserliche Verbot berufen. S. M. will nun dem König direkt schreiben 
und ihm ganz ruhig sagen, daß der bei allen Höfen herrschende Brauch bei 
Einladungen von Prinzen eine vorgängige Anfrage bei dem Familien- 
oberhaupt fordert. Lord Lonsdale tut, wie gewöhnlich, das Mögliche, um 
den Antagonismus zwischen den beiden Herrschern zu schüren. $.M. er- 
zählte mir, der Lord habe ihm vorgeklagt, daß der König ihn nicht mehr 
empfangen wolle, und zwar nur desbalb, weil er mit dem Deutschen Kaiser 
befreundet sei! Der Lord habe ihm weiter bestätigt, daß die Presse- 
Einladung 
des Kron- 
Prinzen nach 
England ab- 
gelehnt
	        
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