Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

BISMARCK GEGEN GENERALSTABSPOLITIK 179 
Kürze darlege, so geschieht dies nicht, um Euer Hochwohlgeboren von der 
Richtigkeit derselben zu überzeugen, sondern um mich der mir unerwünsch- 
ten Notwendigkeit zu überheben, den Abbruch der dienstlichen Beziehun- 
gen, in welchen sich das Auswärtige Amt zu Euer Hochwohlgeboren 
befindet, von Seiner Majestät zu erbitten. Die auswärtige Politik Seiner 
Majestät wird nicht vom Generalstab, sondern ausschließlich von mir 
beraten.‘ Vorher befand sich in diesem Erlaß der nachstehende monu- 
mentale Satz: „Die wichtigste Frage, die überhaupt an die Politik des 
Deutschen Reichs gestellt werden kann, ist diese: Ob wir Österreich und 
demnächst Deutschland freiwillig und bewußterweise in einen Angriffs- 
krieg gegen Rußland verwickeln sollen, der für uns den Verteidigungs- 
krieg gegen Frankreich sofort nach sich ziehen würde, also den größten jetzt 
möglichen Krieg nach zwei Seiten hin, und der für uns, auch wenn wir ihn 
siegreich nach beiden Seiten hin durchführen, keinen annehmbaren Kampf- 
preis und keinen anderen im voraus berechenbaren Erfolg haben wird als die 
dauernde Ausdehnung der französischen Revanchestimmung auf die russi- 
sche Nation.‘ Der brave Deines fühlte das Wehen des Genius, der aus diesen 
Worten sprach. Er richtete einen der Lauterkeit seines Wesens entsprechen- 
den Brief an den Fürsten, in dem er ihm seinen Dank für die hochgeneigtest 
erteilte Weisung und Warnung aussprach und gleichzeitig das feste Ver- 
sprechen gab, fortan nur im Sinne der Instruktion Seiner Durchlaucht zu 
wirken. Mir aber haben sich diese vom Fürsten Bismarck 1887 an den Mili- 
tärattach€ von Deines gerichteten Worte, die er während meines Aufent- 
haltes in Koblenz, während der Septembermanöver von 1905, zu meiner 
Kenntnis brachte, tief eingeprägt, und sie sollten mir drei Jahre später, 
bei der bosnischen Krise, eine Mahnung und eine Direktive sein. 
Deines war Kaiser Wilhelm II. durch meinen Bruder Adolf als Gou- 
verneur für den Kronprinzen empfohlen worden. In dem Brief, den mein 
Bruder im November 1894 an Deines richtete, um ihm klarzumachen, daß 
er der richtige Mann für die Erziehung des Kronprinzen sei, hieß es: ‚„‚Wes- 
halb ich Sie für geeignet halte? Sie sind, wie König Philipp über Posa sagt, 
einer der so wenigen, ‚gut und fröhlich und kennt doch alle Menschen‘. 
Sie sind nicht in der Gefahr, eine solche Aufgabe flach äußerlich aufzufassen 
oder nach einiger Zeit stumpf und blasiert zu werden: nicht in der Gefahr, 
mit Parademarsch, Uniform und Wachtstube allein die Seele des Kaisers 
der Zukunft zu erfüllen, nicht in der Gefahr, auf Äußerlichkeiten und Ge- 
dächtnis statt auf Inneres und Charakter zu wirken. Ich vertraue fest, daß, 
wenn der künftige Kaiser Sie einige Jahre als Beispiel vor sich hat, er so 
werden wird, wie unser Vaterland es braucht.“ Es war in der Tat nicht mög- 
lich, eine bessere Wahl zu treffen als Deines, der, tapfer und hochgebildet, 
streng gegen sich und gütig für andere, das Muster eines preußischen Offiziers 
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