WILHELM II. UND DER SPEKULANT 191
hingen Gemälde von Tizian, Rembrandt und anderen Großen. Der Brief
Seiner Majestät lautete: „Lieber Bülow. Gestern war der berüchtigte
Börsenfreund und Spekulant of H.M. E. VII., Herr Beit, bei Mir, um Mir
den illustrierten Katalog seiner Kunstschätze — vom guten Bode gemacht —
zu überreichen. Nachdem Ich alles gebührend bewundert und ihm die
Wohnung Friedrichs des Großen gezeigt hatte, kam bald das Gespräch auf
Marokko und die Beziehungen von England zu Deutschland. Auf Meine
Bemerkung, es sei sehr erfreulich, daß von hüben und drüben in Versamm-
lungen pp. die Leute sich regten und trachteten, die Reibungen zu mindern,
fiel er mit seiner hastigen Lebhaftigkeit ein, voll zustimmend, und um so
mehr, als England ja gar nichts von uns wolle als mit uns in guten Bezie-
hungen sein. Nur Marokko sei ein dunkler Punkt. Auf Meine Frage, weshalb,
erwiderte er: weil in England die Ansicht vorherrsche, wir wollten den
Franzosen den Krieg machen, weil sie mit England das Abkommen ge-
troffen und die ‚Entente cordiale‘ geschlossen hätten. Ich bemerkte dazu,
‚es sei höherer Blödsinn‘. Die Engländer könnten mit Frankreich so viel
‚ententes cordiales‘ machen, wie sie wollten, das wäre uns ebenso egal wie
der gallo-russische Zweibund, der uns auch nicht erschüttert hätte. Das
Abkommen betreffend, so habe England seine Interessen an Frank-
reich abgetreten, also sich ‚desinteressiert‘, das ginge uns auch nichts an
und sei lediglich Englands Sache, allein damit nicht genug, habe es Frank-
reich Vorzugsrechte auf Kosten der anderen Staaten und deren Interessen
zugebilligt, und das gehe nicht an, da dadurch die Konvention von Madrid
geschädigt werde. Wie es anderen Staaten in unter französischem Protek-
torat stehenden Ländern ergehe, zeige ja Tunis, Algier — und, setzte Beit
hinzu, ‚Madagaskar‘. Das habe uns allen in Marokko gedroht, und das
wollten wir nicht. Zudem sei es doch recht unmanierlich gewesen, daß
niemand es für gut befunden, uns das geringste über das Abkommen, in
dem unsere Rechte ignoriert würden, mitzuteilen. Dazu die englischen
Intrigen in Paris, die durch die Delcasseschen Enthüllungen herausgekom-
men, wären Grund genug, daß wir uns nicht in der rosigsten Laune befän-
den. Sondern eben den Eindruck hätten, zwei Buschkleppern uns gegen-
über zu befinden, die einen nach Verabredung beim Spazierengehen zu
überfallen sich anschickten; dann griffe man eben zum Revolver! Lebhaft
unterbrach Mich Herr Beit und erklärte: Was das in den Delcasse-Enthül-
lungen erwähnte Angebot beträfe mit bewaflneter Hilfe, so ‚sei das nur
in dem Falle gemeint gewesen, falls Deutschland Frankreich
unrechtmäßigerweise überfiele‘! England fühle eben durch die
‚entente cordiale‘ sich an Frankreich in der Marokko-Frage fest gebunden
und werde die französischen Ansprüche unterstützen, weil das im Abkom-
men so bedungen sei und sie die französische Freundschaft sich absolut