194 ADMIRALE NACH TISCH
wegen Marokkos, eventuell, wenn die Franzosen angegrifieun würden, ihnen
beispringen zu müssen. Diese Sorge werde er in London zerstreuen. Ich
setzte hinzu, er möge doch sofort dahin wirken, daß die Preßhetze in Paris
eingestellt werde, denn, wenn wir auch die besten Absichten hätten und
loyal sein und friedlich bleiben wollten, so sei doch die Gefahr nicht aus-
geschlossen, daß bei fortgesetztem Aufputschen der Franzosen seitens
Londons diese schließlich, im Vertrauen auf die ihnen sichere englische
Hilfe, uns gegenüber dergestalt ungezogen, renitent und provokant auf-
treten würden, bis endlich die nationale Ehre ins Spiel komme und dieser
zulicbe die Waflen angerufen werden müßten. Dann müßten wir losschlagen,
und damit wäre der Grund für Englands Mithilfe gegeben, i. e. der ‚un-
rechtmäßige Überfall‘ von uns auf Frankreich. Und das sei eine ungeheuer-
liche Perfidie, auf so etwas hinzuarbeiten. Herr Beit sagte sofort, das soll
und darf unter keinen Umständen geschehen. ‚Ich werde in London sagen:
man wünsche in Berlin nur eines, London möge Paris endlich mal in Frieden
lassen, damit Paris mit Berlin sich vertragen und einen Modus vivendi
finden könne. England habe von Berlin ungestört seine Entente cordiale
mit Frankreich gemacht, nun dürfe es aber auch anstandshalber keine
Schwierigkeiten Deutschland in den Weg legen, wenn es auch mit Frank-
reich zu einer ebensolchen Entente kommen wolle. Im Gegenteil, London
müsse Berlin dazu beistehen und in Paris zureden.‘ Was seine obigen Aus-
lassungen über die Friedensliebe der Regierung beträfe, müsse er noch eine
Ergänzung machen. Ein einziger sei nämlich vorhanden, der wolle den
Krieg, habe ihn bis ins Detail vorbereitet und hetze dazu. Das sei der
Admiral Sir John Fisher. Der habe neulich noch gesagt: ‚We are now quite
ready and as powerful as possible, the Germans are not yet ready and are
weak, now is the time for us, let us hit them on the head.‘ Ich erwiderte,
das hätte Ich von Sir John Fisher als selbstverständlich vorausgesetzt und
dementsprechend Meine Vorsichtsmaßregeln getroffen: alle Anordnungen
der britischen Flotte seit November 1904 seien für Mich nur Mobilmachungs-
und Kriegsvorbereitungen gewesen und als solche eskomptiert worden.
‚Nun‘, erwiderte Herr Beit, ‚lassen Sie sich das nicht weiter zu Herzen
gehen, Fisher ist ein Hitzkopf, hat aber politisch nichts zu sagen und muß
sich der Regierung fügen. Auch wenn Admirale nach Tisch Reden halten,
nehmen Sie das nicht zu ernst, wie z. B. mit der lächerlichen Drohung der
Landung von 100000 bei Ihnen, das ist ja Unsinn und zu dumm!‘ Ich er-
klärte darauf, das sei gar kein Unsinn, sondern bei dem kolossalen numeri-
schen Übergewicht der englischen Flotte gut ausführbar, und zwar in
Dänemark, da, wo die britische Flotte in diesem Sommer rekognosziert
hätte. ‚So?‘ sagte Herr Beit. ‚Das ist möglich? Ja, aber wenn sie an Land
gekommen sind, dann schlagen Sie sie alle tot!‘ Darauf erwiderte Ich: