234 DER KREDIT IN DER WELT
Kenntnis der internationalen Beziehungen, ohne tiefere Einsicht in die
wirkliche Weltlage, ohne Überblick über das komplizierte Schachbrett der
auswärtigen Politik durch törichte Hetzartikel mit nervöser, tendenziöser,
hysterischer Kritik einzugreifen in die Speichen des Rades der auswärtigen
Politik, lähmt die Aktion des Landes nach außen, diskreditiert und schwächt
das Land nach außen. Der Kredit, den ein Land in der Welt genießt, muß
geschont werden, ihn ohne Not zu erschüttern, ist leichtfertig und kann
ruchlos sein.
Wenn wir also wegen jener eben genannten Zwischenfälle in Samoa und
an der ostafrikanischen Küste nicht Krieg führen wollten, so blieb uns
noch ein zweiter Weg, den wir auch nicht eingeschlagen haben, nämlich
die Dinge ihren Lauf gehen zu lassen und still nach Haus zu gehen, uns
höchstens auf Proteste zu beschränken. Mit leeren Protesten ist aber der aus-
wärtigen Politik selten, mit Maulheldentum nie gedient, und auch mit der
lauten ‚Entrüstung‘ nicht. Es bleibt der dritte Weg, nämlich: durch
diplomatische Verhandlungen das möglichste für uns herauszuschlagen,
unter entschiedenem Festhalten an unseren Rechten und mit geschickter
Vertretung unserer Interessen unseren Standpunkt zu verteidigen. Indem
ich dies tat, glaube ich nicht nur das klügste getan zu haben, was man tun
konnte, sondern das einzige, was den dauernden Interessen des deutschen
Volkes entsprach. Auf diese Art haben wir seinerzeit die Angelegenheit der
beschlagnahmten Dampfer in einer für uns zufriedenstellenden Weise
erledigt. Was Samoa angeht, so haben wir schließlich Upolu mit Apia
bekommen und auch in dieser Frage das reale Interesse des deutschen
Volkes erfolgreich wahrgenommen. Einen anderen Leitstern als das reale
dauernde Interesse der Nation wird es für mich nie geben. Deshalb machen
mich auch die Vorwürfe und das Geschrei der Alldeutschen nicht irre.
Denn wer diesem Leitstern folgt, der behält schließlich doch recht. Was
nun unser jetzt wieder viel erörtertes Verhältnis zu Engländ angeht, so
mißbilligt die Mehrheit des deutschen Volkes, das ein gebildetes und zivili-
siertes Volk ist, die plumpen und rohen Gehässigkeiten, zu welchen leider
auch bei uns die Sympathiekundgebungen für die Buren geführt haben.
Diese Mehrheit erkennt willig an, daß, wenn die Buren für Haus und Hof
wacker gekämpft haben, das englische Heer, Offiziere und Soldaten, seinen
alten Ruf der Tapferkeit und Ausdauer bewahrt hat und daß die englische
Nation während des Südafrikanischen Krieges eine Zähigkeit, eine Ent-
schlossenheit und eine Vaterlandsliebe an den Tag gelegt hat, die zu ver-
kennen kleinlich wäre und die ich uns eintreffendenfalls wünsche. Die
neuerlichen Hetzereien der englischen Presse gegen uns sind natürlich
ebenso verwerflich und ebenso töricht, wie es früher diejenigen der deut-
schen Presse gegen England waren. Vor allem aber begreift die Mehrheit